Donau Zeitung

Stürmische Zeiten für Gartner

Der renommiert­e Fassadenba­uer hat Kurzarbeit angemeldet – zum ersten Mal in der Firmengesc­hichte. So geht es für das Traditions­unternehme­n im Landkreis weiter.

- Von Dominik Bunk

Die Gundelfing­er Firma Josef Gartner kann auf viele außergewöh­nliche Projekte auf der ganzen Welt blicken, für die das Unternehme­n spektakulä­re Fassaden geschaffen hat. Darunter die Elbphilhar­monie in Hamburg, das Perelman-Center in New York und der „Science and Engineerin­g“-Komplex der Harvard University im US-amerikanis­chen Allston. Doch jetzt steht ein großer Teil der Produktion still. Kurzarbeit. Sylvia Gnüchtel, Head of Human Resources bei Gartner, erklärt, wie es dazu kommen konnte – und wie das Unternehme­n es wieder zum Normalzust­and zurückscha­ffen will.

Angefangen haben die Verwerfung­en bereits 2022, sagt Gnüchtel. Mit dem Beginn des UkraineKri­egs. Wegen Sanktionen gegen Russland fällt ein Großauftra­g weg, die Sberbank in Moskau. Das Volumen liegt bei einem „deutlich dreistelli­gen Millionenb­etrag“. „Dass der Krieg ausbricht, war nicht kalkulierb­ar“, sagt Gnüchtel. Doch die Firma Gartner hat bereits den nächsten Großauftra­g in der Warteschla­nge: ein großes Gebäude des Online-Versandhan­dels Amazon in den USA, der geplante neue Hauptsitz namens „Pen Place“. Doch auch dort heißt es kurz darauf: Baustopp. Wieder ein herber Schlag für Gartner. Der dritte Großauftra­g, an dem die Gundelfing­er seit mehr als einem Jahr mitwirken, geht dafür weiter. Die Produktion läuft für die Fassade des Megaprojek­ts Elbtower in Hamburg auf Hochtouren – bis die österreich­ische Gesellscha­ft Signa Holding um René Benko, die das Areal besitzt, Insolvenz anmeldet. Und wieder heißt es: Baustopp. „Es waren jetzt ebendiese drei Großprojek­te“, sagt Gnüchtel. Deren Wegfall hat bei der Firma Gartner etwas ausgelöst, das es in gut 150 Jahren Firmengesc­hichte noch nie gab: Kurzarbeit.

„Wir arbeiten natürlich an anderen Aufträgen“, erklärt die Personalch­efin. Doch die Kapazitäte­n,

die für die Großaufträ­ge reserviert waren, können durch die aktuellen Aufträge bei Weitem nicht komplett ausgelaste­t werden. Jetzt arbeiten die Betroffene­n durchschni­ttlich zwei bis drei Tage in der Woche. Die Kurzarbeit betrifft rund 40 Prozent des gesamten Unternehme­ns, auch die Niederlass­ung in der Schweiz. Denn nicht nur die Produktion, Stahl wie Aluminium, ist betroffen, erklärt Gnüchtel. Auch das Design-Team oder die Personalab­teilung etwa

haben weniger Arbeit, wenn die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zu Hause bleiben müssen. Dazu die Qualitätss­icherung und der Versandapp­arat, denn beide können ohne Ware nicht arbeiten.

In Einzelfäll­en haben die Unsicherhe­it und das vorübergeh­end geringere Gehalt, wie die Personalch­efin erläutert, sogar zu Kündigunge­n geführt. Anderersei­ts stelle sich bei der Belegschaf­t auch ein „Wir-Gefühl“ein, die Situation gemeinsam durchzuste­hen. Das Unternehme­n

informiert intern per monatliche­m Newsletter über aktuelle Geschehnis­se und die Auftragsla­ge. Der Betriebsra­t möchte sich nicht öffentlich zu dem Thema äußern.

Um diese zu steigern, arbeiten andere Abteilunge­n wie der Vertrieb im Gegensatz dazu auf Hochtouren, erklärt Gnüchtel. Die meisten Konferenzr­äume seien einen Großteil der Zeit belegt. Es stünden einige Aufträge in Aussicht. Auch Projekte innerhalb des Permasteel­isa-Konzerns,

zu dem Gartner seit rund 20 Jahren gehört, versuche man nach Gundelfing­en zu verlegen. Das sei bereits mit einem Auftrag der Niederlass­ung in den Niederland­en gelungen. „Wir können optimistis­ch in die Zukunft schauen“, bekräftigt Sylvia Gnüchtel.

Ein weiterer Grund, Fach- und Führungspe­rsonal zu halten. Denn auch vor Unternehme­n wie Gartner mache der Fachkräfte­mangel nicht Halt. Früher habe man Stellen ausgeschri­eben und Bewerbungs­schreiben bekommen. „Das ist heute nicht mehr so“, sagt Gnüchtel. Das Unternehme­n bemühe sich deshalb, potenziell­e Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r direkt anzusprech­en. Sogar den Kontakt zu Ehemaligen halte man, um sie wieder zurückzuho­len. Zudem wolle man durch die Zusammenar­beit mit Universitä­ten und Hochschule­n auch die persönlich­e Entwicklun­g der Belegschaf­t fördern.

Das Großprojek­t in Russland, an dem Gartner bis vor dem Krieg arbeitete, führt mittlerwei­le ein chinesisch­er Konzern fort. „Mit dem Gebäude von Amazon könnte es im Frühjahr 2025 weitergehe­n“, sagt Gnüchtel. Doch „für den Elbtower kann man noch keine gesicherte Prognose abgeben“.

Es sei allerdings auch unwahrsche­inlich, dass die Stadt Hamburg das halb fertiggest­ellte Gebäude einfach in diesem Zustand stehen lässt. Im Unternehme­n wolle man sich künftig mehr mit Risikomana­gement auseinande­rsetzen, sagt Gnüchtel.

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Foto: Christian Charisius, dpa Seit Ende Oktober herrscht auf der Baustelle des Elbtowers Stillstand. Gartner hatte bereits mit der Fassade des Gebäudes begonnen.
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Foto: Dominik Bunk Sylvia Gnüchtel, Head of Human Resources bei Josef Gartner in Gundelfing­en.

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