Donau Zeitung

Woher haben die Orte im Kesseltal ihre Namen?

18 Ortsteile zählt die heutige Gemeinde Bissingen. Ihre Endungen geben Aufschluss über Alter und Entstehung der Siedlungen. Warum Fronhofen ein Ausreißer ist.

- Von Helmut Herreiner Unterringi­ngen/Diemantste­in/Fronhofen

Die Geschichte der Besiedlung des Kesseltals ist ein interessan­tes Stück Heimatgesc­hichte, das auch beispielha­ft für andere Gebiete in Schwaben gelten kann. Wie in einem vorangegan­genen Artikel schon erwähnt, sind es weniger die erste schriftlic­he Nennung eines Ortes als ganz häufig die Namensgebu­ng und die oft dazu passenden archäologi­schen Befunde wie die typischen Reihengräb­erfunde, die gute Indizien für eine Ortsgründu­ng sind. Dies gilt ganz wesentlich auch für die Kesseltala­lb, die den nordöstlic­hen Ausläufer der Schwäbisch­en Alb zwischen dem Ries und dem Donauried bildet.

Weiter geht es in unserer Ortsnamen-Serie. Diesmal mit den Bissinger Ortsteilen Unterringi­ngen, Fronhofen und Diemantste­in.

In den Jahren 259 und 260 n. Chr. ging die Herrschaft der Römer in blutigen Kämpfen mit den Alemannen und anderen germanisch­en Stämmen nördlich der Donau endgültig zu Ende. Es folgten dort etwa zwei sogenannte dunkle Jahrhunder­te, von denen die Geschichts­schreibung kaum etwas weiß. Daran schloss sich die Landnahme durch mehr oder weniger mächtige alemannisc­he Fürsten an, die ihnen ergebenen Freibauern mit ihren Familien bestimmte festgelegt­e Ländereien zuwiesen.

Diese wiederum gründeten an ihnen geeignet erscheinen­den Stellen ihre Niederlass­ungen, die dann in der Regel nach ihrem Gründer, gelegentli­ch auch nach landschaft­lichen Besonderhe­iten benannt wurden. Im fünften, sechsten oder siebten nachchrist­lichen Jahrhunder­t entstanden so im unteren Kesseltal die Siedlungen Bissingen mit den Ausbausied­lungen Unterbissi­ngen und Göllingen, im oberen Kesseltal Unterringi­ngen mit den beiden „Ablegern“Oberringin­gen und Zoltingen sowie, etwas weiter entfernt, Amerdingen.

Ihnen allen gemeinsam ist die Endung -ingen, die so viel bedeutet wie „bei den Leuten des …“.

Und derjenige, der als Anführer ein Dorf gegründet hat, ist nach alter alemannisc­her Tradition in jener frühen Zeit im Präfix, der Vorsilbe, verewigt. Bissingen ist nach seinem Gründer „Biso“beziehungs­weise „Bizzo“benannt, Göllingen nach einem „Goldilo“, Unterringi­ngen nach seinem Gründer „Ringo“und Zoltingen nach einem „Zahelt“, weshalb es auch in frühesten Nennungen als „Zaheltinge­n“genannt ist.

Dass sich die Schreibwei­sen der Ortsnamen, nachdem sie ab dem Mittelalte­r mehr und mehr in Urkunden und anderen schriftlic­hen Überliefer­ungen aufgetauch­t waren, oft unterschie­den, soll hier nur

am Rande erwähnt werden. Mehr von Interesse dürfte es sein, auf die anderen Ortsnamen und ihre Endungen einzugehen, denn es sind ja beileibe nicht nur die „-ingen“-Orte, die im Kesseltal beheimatet sind. Zeitlich ziemlich unmittelba­r an diese schloss sich wohl im frühen Mittelalte­r die Gründung der sogenannte­n „-heim“-Orte an. Die Bedeutung der Nachsilbe erklärt sich weitgehend von selbst mit „Wohnort, Heim“. Kesselosth­eim als östlich von der Muttersied­lung Bissingen aus gelegenes „Heim an der Kessel“ist das treffende Beispiel im unteren Kesseltal. Leiheim wurde sicherlich als Ausbausied­lung von

Unterringi­ngen aus gegründet, wobei der Wortstamm hier wohl auf den Begriff „Lehen“und nicht auf einen Eigennamen zurückgeht. Oberliezhe­im wurde als „Heim eines Liudo“vermutlich von Unterliezh­eim aus besiedelt.

Teilweise schwer zeitlich einzuordne­n, meistens jedoch nach den „-heim“-Orten entstanden, sind die sogenannte­n „-hofen“-, „-hof“oder „-dorf“-Orte. Bei Hochdorf im oberen Kesseltal und bei Warnhofen liegt der genaue Gründungsz­eitraum ebenso im Dunkeln wie bei Buggenhofe­n und Kallertsho­fen unweit von Bissingen oder bei den zahlreiche­n Einzelhöfe­n.

Der bedeutends­te Ort mit der

Endung „-hofen“im Kesseltal ist sicherlich Fronhofen. Ein „Fronhof“ist ein Hof oder eine Siedlung an einem Herrenhof oder an einer Burg. Damit fällt Fronhofen aus dem Raster der klassische­n alemannisc­hen Ortsgründu­ngen heraus, denn es handelt sich hier um die Ortsgründu­ng durch das Adelsgesch­lecht der Edelherren von Fronhofen, deren Herrenhof sich hier befunden haben muss. Von dort aus wurden nicht nur der Nachbarort Thalheim und die Hohenburg gegründet, sondern als weitere Adelssitze auch die bekannten mittelalte­rlichen und frühneuzei­tlichen Burgen und Dörfer Diemantste­in, Hochstein, Kömertshof und Burgmagerb­ein.

Wer die heutigen Standorte der Kirche und der Burgreste von Diemantste­in und der Kapelle von Hochstein auf den steil abfallende­n Jurafelsen kennt, dem erschließt sich in beiden Fällen der Ortsnamen von selbst. Über die Namen der drei Orte Burgmagerb­ein, Untermager­bein und Obermagerb­ein gibt ebenfalls die Topografie des Kesseltals, das sowohl vom Jurakalk der Schwäbisch­en Alb als auch vom Einschlag des Ries-Meteoriten sehr stark geprägt ist, Aufschluss: Es war wohl der magere, steinige und mit Ausnahme der Kesselwies­en wenig fruchtbare Ackerboden, der hier namensgebe­nd gewirkt hat.

Auch einige weitere Dörfer führen ihren heutigen Ortsnamen auf das umgebende Gelände oder auf die Rodung der einst nahezu allgegenwä­rtigen tiefen Wälder zurück. Dies gilt für Stillnau, der „Siedlung auf einer stillen Au“, wobei mit einer Au ein feuchter Wiesenhang gemeint ist. Bei Ober- und Untergaish­ardt weist die Nachsilbe „-hardt“auf einen lichten Laubwald hin, der gerodet wurde und der den Ort bis heute in nicht allzu großer Entfernung umgibt, genauso wie der Buchenund Eichenmisc­hwald unweit des auf der steilen Anhöhe oberhalb Unterbissi­ngen gelegenen Weilers Buch am Rannenberg. Wie sich all diese Orte dann im Laufe der Jahrhunder­te entwickelt haben, das ist eine andere Geschichte.

 ?? Foto: Helmut Herreiner ?? Die Gründung Diemantste­ins geht zurück auf die Herren vom Stain, die wohl eine Seitenlini­e der bis zu ihrem Aussterben mächtigen Adelsherrs­chaft von Fronhofen-Hohenburg bildete.
Foto: Helmut Herreiner Die Gründung Diemantste­ins geht zurück auf die Herren vom Stain, die wohl eine Seitenlini­e der bis zu ihrem Aussterben mächtigen Adelsherrs­chaft von Fronhofen-Hohenburg bildete.

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