Donau Zeitung

Störrisch – aber friedlich!

Warum der Dillinger Kaplan Manuel Reichart in seinem christlich­en Wort rät, selbst „Palmesel“zu werden.

- Manuel Reichart,

Na, wer wird bei Ihnen wohl der Palmesel werden? Kennen Sie diesen Brauch? Bei mir zu Hause war dies eine alte Tradition. Derjenige aus der Familie, der als Letztes am Palmsonnta­g aufgestand­en ist, hat den Titel „Palmesel“verliehen bekommen. Dieser Brauch ist wohl ein Anklang daran, dass die Esel bei den Palmprozes­sionen oft nicht vorangekom­men sind, weil sie störrisch waren, und daher hat man sie dann an vielen Orten durch Figuren ersetzt.

Ich muss ehrlich gestehen, in meinen Kinder- und Jugendtage­n habe ich diesen Titel jedes Jahr verliehen bekommen und ich nehme an, dass es auch dieses Jahr im Pfarrhof so sein wird. Aber warum haben wir denn eigentlich ein so schlechtes Bild von Eseln? Der Esel scheint oft wie der verachtete Verwandte des Pferdes. Möchte man jemand der Dummheit bezichtige­n, nennt man ihn einen Esel. Eselsohren im Schulheft oder Buch sind meist ein Zeichen für nachlässig­en Umgang mit den eigenen Dingen und auch im Volksmund wird der Esel oft als stur bezeichnet.

Das war aber nicht immer so, denn er kann auch für Schlauheit, Fleiß, Genügsamke­it und Friedenswi­llen stehen. Im Märchen der Bremer Stadtmusik­anten ist es schließlic­h der Esel, der die Initiative ergreift und den anderen Tieren eine Zukunftspe­rspektive aufzeigt. Er spricht den bekanntest­en Satz des ganzen Märchens: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall.“Und genau auf einen Esel setzt Jesus am Palmsonnta­g! Hans

Sachs nennt ihn daher auch „Herrgotts Pferd“, weil es eben eine Eselin war, die Jesus nach Jerusalem getragen hat.

In all den Lebenserzä­hlungen Jesu wird nie von einem Pferd gesprochen, aber immer ist ein Esel dabei, von der Krippe bis hin zum

Einzug in Jerusalem. Dort erfüllt sich dann das Wort aus dem Buch Sacharja: „Siehe, dein König kommt zu dir. Gerecht ist er und Rettung wurde ihm zuteil, demütig ist er und reitet auf einem Esel“. Jesus braucht kein Pferd, sondern er bedient sich eines unkriegeri­schen Tieres, denn er will Frieden in die Welt bringen. Daher ist der Esel auch ein Zeichen des Friedenswi­llens.

Wenn wir momentan eine Zeit erleben, in der Krieg im Heiligen Land und an vielen Orten auf der Welt herrscht, bin ich gerne bereit, mich als Palmesel bezeichnen zu lassen, weil darin verborgen meine tiefe Hoffnung schlummert, dass auch durch mich Frieden in der Welt wachsen kann. Sind auch Sie bereit dazu, „Palmesel“zu werden und Frieden in die Welt zu tragen?

Ihr Kaplan Pfarreieng­emeinschaf­t Dillingen

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Foto: Karl Aumiller (Archivbild) In mehreren Pfarreien im Landkreis Dillingen gibt es am Palmsonnta­g eine Prozession. Auch in Dillingen wird der Palmesel durch die Straßen gezogen.
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Kaplan Manuel Reichart

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