Hausärzte fürchten neue Engpässe
Personalmangel in Bayern spitzt sich zu. Gefährdet das die Versorgung von Patienten?
Bayerns Hausärzte fürchten eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung: Durch die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) drohe eine „Kannibalisierung“der ohnehin fehlenden Fachkräfte, warnt Dr. Wolfgang Ritter, der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands. Zwar sind sich alle Seiten einig, dass in Zukunft immer mehr Patienten von immer weniger Fachkräften betreut werden müssen. Aber Ritter kritisiert die „Parallelstrukturen“in der ambulanten Versorgung, die Lauterbach im Zuge seiner Krankenhaus-, aber auch seiner Hausarztreform plane.
Doch Ritter und seine Stellvertreterin Dr. Petra Reis-Berkowicz loben Lauterbach auch. So plant der Minister beispielsweise für Hausärzte den Wegfall von Honorarobergrenzen und sieht Versorgungspauschalen vor – das sei durchaus positiv zu bewerten und müsse schnell umgesetzt werden. Gleichzeitig will Lauterbach aber eben auch in sozial benachteiligten Regionen und Stadtteilen so genannte „Gesundheitskioske“für eine niedrigschwellige Beratung errichten. Damit werde aber nur weiteres Personal gebunden, das anderswo fehle, kritisiert Ritter und appelliert an die Politik, „die Augen aufzumachen“. Schließlich stehe viel auf dem Spiel: Es werde ein von den Patienten geschätztes Versorgungssystem zugunsten eines „Poliklinik-Systems“geopfert, das vor allem große Zentren vorsehe, in denen nur noch eine Art Akutmedizin möglich sei. Verloren gehe dadurch die von Hausärzten praktizierte „Beziehungsmedizin“, also eine langjährige, persönliche Begleitung von Patienten.
Ritter und seine Kolleginnen und Kollegen, die sich als wichtige Lotsen für ihre Patienten im Gesundheitssektor sehen, favorisieren dagegen hausärztliche Primärversorgungszentren, die eine „interprofessionelle“Patientenversorgung
bieten, kurz Häppi. Das heißt, die Leitung eines solchen „Häppi“hat weiterhin ein Hausarzt beziehungsweise eine Hausärztin. Unterstützt werden sie von einem gut ausgebildeten Team, das viele Patienten selbstständig versorgt. Auch werde der Kontakt zwischen Arzt und Patient immer digitaler: Eine neue HausärzteApp soll hier Entlastung für beide Seiten bringen.
Wie aber sieht ein erfahrener schwäbischer Hausarzt die Lage und wie bewertet er die Pläne von Lauterbach? Dr. Jakob Berger praktiziert in Wemding im DonauRies. Er findet es zunächst gut, dass der Minister endlich die Arbeitsbedingungen der Hausärzte verbessern will, denn das sei dringend nötig. Und auch eine höhere Vergütung sei überfällig. Allerdings sei die Reform bisher ja nur ein Entwurf, es müsse abgewartet werden, was wirklich in die Praxis umgesetzt wird. Zu oft hat es Berger bereits erlebt, dass die Politik gute Vorschläge macht, sie dann aber liegen bleiben. So sei bereits 2017 der „Masterplan 2020“aufgelegt worden, der eine Reform des Medizinstudiums vorsieht, um die Allgemeinmedizin aufzuwerten und so mehr junge Hausärztinnen und -ärzte zu gewinnen. „Auf die Umsetzung warten wir bis heute.“
Auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) mahnt bei Lauterbachs Reform zur Vorsicht: Die Pläne seien in der Bundesregierung noch nicht abgestimmt. Es handele sich nur um eine Ankündigung eines Gesetzes, das schon im vergangenen Jahr hätte kommen sollen. „Der Bund scheint hier am Rande der Handlungsunfähigkeit zu stehen.“Und: „Die von Lauterbach vollmundig angekündigte Regulierung von investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren steht weiter aus. Vielmehr werden mit den vorgesehenen neuen Versorgungsmodellen die Einsatzmöglichkeiten für Investoren sogar noch erweitert, also neue Einfallstore geschaffen!“