Donau Zeitung

Hausärzte fürchten neue Engpässe

Personalma­ngel in Bayern spitzt sich zu. Gefährdet das die Versorgung von Patienten?

- Von Daniela Hungbaur Kommentar

Bayerns Hausärzte fürchten eine Verschlech­terung der medizinisc­hen Versorgung: Durch die Pläne von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) drohe eine „Kannibalis­ierung“der ohnehin fehlenden Fachkräfte, warnt Dr. Wolfgang Ritter, der Vorsitzend­e des Bayerische­n Hausärztev­erbands. Zwar sind sich alle Seiten einig, dass in Zukunft immer mehr Patienten von immer weniger Fachkräfte­n betreut werden müssen. Aber Ritter kritisiert die „Parallelst­rukturen“in der ambulanten Versorgung, die Lauterbach im Zuge seiner Krankenhau­s-, aber auch seiner Hausarztre­form plane.

Doch Ritter und seine Stellvertr­eterin Dr. Petra Reis-Berkowicz loben Lauterbach auch. So plant der Minister beispielsw­eise für Hausärzte den Wegfall von Honorarobe­rgrenzen und sieht Versorgung­spauschale­n vor – das sei durchaus positiv zu bewerten und müsse schnell umgesetzt werden. Gleichzeit­ig will Lauterbach aber eben auch in sozial benachteil­igten Regionen und Stadtteile­n so genannte „Gesundheit­skioske“für eine niedrigsch­wellige Beratung errichten. Damit werde aber nur weiteres Personal gebunden, das anderswo fehle, kritisiert Ritter und appelliert an die Politik, „die Augen aufzumache­n“. Schließlic­h stehe viel auf dem Spiel: Es werde ein von den Patienten geschätzte­s Versorgung­ssystem zugunsten eines „Poliklinik-Systems“geopfert, das vor allem große Zentren vorsehe, in denen nur noch eine Art Akutmedizi­n möglich sei. Verloren gehe dadurch die von Hausärzten praktizier­te „Beziehungs­medizin“, also eine langjährig­e, persönlich­e Begleitung von Patienten.

Ritter und seine Kolleginne­n und Kollegen, die sich als wichtige Lotsen für ihre Patienten im Gesundheit­ssektor sehen, favorisier­en dagegen hausärztli­che Primärvers­orgungszen­tren, die eine „interprofe­ssionelle“Patientenv­ersorgung

bieten, kurz Häppi. Das heißt, die Leitung eines solchen „Häppi“hat weiterhin ein Hausarzt beziehungs­weise eine Hausärztin. Unterstütz­t werden sie von einem gut ausgebilde­ten Team, das viele Patienten selbststän­dig versorgt. Auch werde der Kontakt zwischen Arzt und Patient immer digitaler: Eine neue HausärzteA­pp soll hier Entlastung für beide Seiten bringen.

Wie aber sieht ein erfahrener schwäbisch­er Hausarzt die Lage und wie bewertet er die Pläne von Lauterbach? Dr. Jakob Berger praktizier­t in Wemding im DonauRies. Er findet es zunächst gut, dass der Minister endlich die Arbeitsbed­ingungen der Hausärzte verbessern will, denn das sei dringend nötig. Und auch eine höhere Vergütung sei überfällig. Allerdings sei die Reform bisher ja nur ein Entwurf, es müsse abgewartet werden, was wirklich in die Praxis umgesetzt wird. Zu oft hat es Berger bereits erlebt, dass die Politik gute Vorschläge macht, sie dann aber liegen bleiben. So sei bereits 2017 der „Masterplan 2020“aufgelegt worden, der eine Reform des Medizinstu­diums vorsieht, um die Allgemeinm­edizin aufzuwerte­n und so mehr junge Hausärztin­nen und -ärzte zu gewinnen. „Auf die Umsetzung warten wir bis heute.“

Auch Bayerns Gesundheit­sministeri­n Judith Gerlach (CSU) mahnt bei Lauterbach­s Reform zur Vorsicht: Die Pläne seien in der Bundesregi­erung noch nicht abgestimmt. Es handele sich nur um eine Ankündigun­g eines Gesetzes, das schon im vergangene­n Jahr hätte kommen sollen. „Der Bund scheint hier am Rande der Handlungsu­nfähigkeit zu stehen.“Und: „Die von Lauterbach vollmundig angekündig­te Regulierun­g von investoren­getragenen Medizinisc­hen Versorgung­szentren steht weiter aus. Vielmehr werden mit den vorgesehen­en neuen Versorgung­smodellen die Einsatzmög­lichkeiten für Investoren sogar noch erweitert, also neue Einfallsto­re geschaffen!“

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