Das erste Cannabis-Fachgeschäft eröffnet
Der Villenbacher Richard Steppe verkauft in seinem Laden alles, was es für den Anbau von Marihuana braucht. Dabei ist der Hintergrund des Familienvaters ein ernster.
Noch sieht es unscheinbar aus, das ehemalige Autohaus neben der Tankstelle in der Donaustraße in Dillingen. Seit geraumer Zeit sind die Geschäftsräume leer. Noch sind die Schaufenster verschmutzt, dennoch erkennt man schon jetzt, dass darin fleißig gewerkelt wird. Am Boden liegt ein großer, grüner Kunst-Efeu-Teppich, drei Männer schrauben aus Holz etwas zusammen. Im ehemaligen Autohaus wird es bald grasgrün aussehen – passend und im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Richard Steppe eröffnet dort den „ersten reinen Grow-Shop Deutschlands“, sagt er. Das ist ein Fachgeschäft für alles, was man benötigt, um Cannabis-Pflanzen anzubauen. Was es aber nicht geben wird: Pflanzen, Samen oder gar Joints. „Grow, love and Weed“soll es heißen und „wie ein Baumarkt“soll das Geschäft aufgebaut sein. Mit Abteilungen für Licht, Aufzuchtzelte und alles, was sonst noch dazugehört.
Denn seit 1. April ist die Aufzucht von eigenen Cannabispflanzen in Deutschland legal. Klingt einfach, oder? Steppe schmunzelt und erklärt, dass die Gewächse grundsätzlich wie Zimmerpflanzen behandelt werden können. Also ab in einen Blumentopf, ans Fenster stellen und regelmäßig gießen. Jedoch falle der Ertrag dabei in der Regel sehr gering aus. Zudem blühen sie normalerweise erst im Herbst, wenn die Tage kürzer werden. Also könne die Zucht gut und gerne bis zu einem Dreivierteljahr in Anspruch nehmen. Was genau man alles dafür braucht, das will der Villenbacher nun künftig in den Geschäftsräumen
kurz vor der Donaubrücke in Richtung Holzheim beim Festplatz verkaufen.
Doch wie kommt der 39-Jährige eigentlich auf diese Idee? Der Hintergrund ist ernst. „Ich bin Schmerzpatient“, sagt Steppe. Er hat das Kiloh-Nevin-Syndrom. Ihm ist ein ganzer Nervenast abgestorben. Anfangs habe er gegen die Schmerzen starke Opiate bekommen. Der heute 39-Jährige erzählt von Nebenwirkungen, von einer mehr als fünfmonatigen Ausschleichphase wegen des hohen Suchtpotenzials der Medikamente. „Die machen einen fertig“, sagt Steppe über die Schmerzmittel. Dann sei er auf medizinisches Marihuana gekommen. 2018 habe er zum ersten Mal gekifft, legal, weil vom Arzt verschrieben. Seitdem, sagt er, habe er kaum noch Schmerzen. Und vor allem keine Nebenwirkungen.
Für ihn war die Teil-Legalisierung „natürlich super“, sagt er. Denn, seit Cannabis nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, sind die Hürden in Apotheken niedriger. Und: Der Eigenanbau sei weit günstiger als das Medizinprodukt. Die vergangenen drei Jahre habe der Villenbacher in Elternzeit verbracht. „Es war schon immer mein Traum, mich selbstständig zu machen“, sagt Steppe, „am liebsten im Einzelhandel“. Nun eben mit legalem Gras.
Als die Debatte um die Teil-Legalisierung von Cannabis losbrach und die Chancen gut standen, fing er Mitte 2023 an, zu planen. Erst dachte er über einen „Head-Shop“nach, also einen Laden für Konsumzubehör. Letztlich fiel die Wahl dann aber doch auf Zubehör für den Anbau, einen „Fachladen für die Indoor-Cannabiszucht“. Ein Problem stelle dabei aber die aktuelle Marktlage dar, sagt er. Denn mit der Möglichkeit zur eigenen Zucht hätten Interessierte die Shops nahezu leergekauft. Er erhofft als Direktkunde von Herstellern schneller an Lampen, Belüftungsanlagen und Co. zu kommen. „Mit der Zeit wollen wir eins nach dem anderen aufbauen“, sagt Steppe. Auch Blumenerde und Dünger etwa sollen Teil des Sortiments sein. „Der Kunde soll alles bekommen, damit er daheim direkt loslegen kann.“
Was er allerdings nicht verkaufen kann: das benötigte Saatgut. Denn: „Samen sind in Deutschland nicht frei verkäuflich“. Die könne man aktuell legal nur im EU-Ausland kaufen, etwa aus Spanien oder Österreich. Sobald aber Cannabis-Clubs eröffnen dürften, sollen sie für die Produktion von deutschen Samen zuständig sein, sagt Steppe.