Eine Frau räumt auf
Porträt Christine Hohmann-Dennhardt muss niemandem mehr beweisen, was sie kann. Sie war Bundesverfassungsrichterin und SPD-Politikerin. Jetzt packt sie erneut an
Ein wenig streng wirkt sie auf den Fotos immer. Und sehr diszipliniert. Doch das passt zu Christine Hohmann-Dennhardt. Diese Frau hat nie leichte Aufgaben. Aber sie nimmt die Herausforderungen auch immer tatkräftig an. Sie macht sich für mehr Gerechtigkeit und Bürgerrechte stark und ist eine Vorkämpferin für Frauen in Führungspositionen. So schaffte sie es als erste Frau mit dem neu geschaffenen Ressort „Integrität und Recht“in den Vorstand von Daimler, um dort die Korruption einzudämmen. Ihren Job hat die heute 65-Jährige offensichtlich gut gemacht. So gut, dass die Stuttgarter sie nun vorzeitig „im Interesse der Good Corporate Governance der deutschen Automobilindustrie“, wie Aufsichtsratschef Manfred Bischoff erklärte, zu VW gehen lassen. Auch in diesem bisher ausschließlich männlich geführten Konzern soll sie aufräumen. Dort geht es bekanntermaßen nicht um Schmiergeld, aber um das nicht minder illegale Manipulieren von Diesel-Fahrzeugen.
Spitzenpositionen ist die Juristin gewohnt. Bevor sie ihr Können bei Daimler bewies, war sie Richterin an Sozialgerichten und am Bundesverfassungsgericht. Aber auch als engagierte und vor allem sozial eingestellte SPD-Politikerin in Hessen machte sie sich einen Namen. Gerade diese Zeit als Sozialdezernentin in Frankfurt, als Justizund Wissenschaftsministerin in Wiesbaden habe sie gestählt, erzählte sie Journalisten. Streitbar und couragiert ließ sie sich nie den Mund verbieten. Auch als Verfassungsrichterin, zuständig für das Familienrecht, war sie für richtungsweisende Entscheidungen verantwortlich: etwa für die Besserstellung gleichgeschlechtlicher Paare, gegen die Benachteiligung lediger, alleinerziehender Mütter im Unterhaltsrecht, für das Recht von Vätern auf Kenntnis der Abstammung ihres Kindes sowie für die Stärkung der Rechte von Transsexuellen. Aufsehen erregte sie, als sie den sogenannten „Großen Lauschangriff“als komplett verfassungswidrig bewertete.
Politisches Engagement erlebte sie bereits im Elternhaus: In ihrer Geburtsstadt Leipzig war ihr Großvater Stuhlmacher, Gewerkschaftsführer und Abgeordneter des Sächsischen Landtags. Ihr Vater, ein Maurermeister, musste mit seiner Familie aus der DDR fliehen. Hohmann-Dennhardt wuchs zunächst in Essen, dann in Marbach am Neckar auf. Nach Abitur und Jurastudium promovierte sie über „Entscheidungsstrukturen im Unternehmen und Arbeitnehmerinteressen“. Ihren Ehemann Eckart Hohmann, der das Statistische Landesamt in Hessen leitete, hat sie, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt, gleich zu Beginn ihres Studiums kennengelernt. Tochter Sarah kam 1978, Sohn Moritz 1980 zur Welt. Beiden Kindern habe sie nie Vorschriften gemacht, welchen Weg sie einschlagen sollten. Die Tochter ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Sohn Schreiner. Geraten habe sie ihnen, sich mit Mut Herausforderungen zu stellen. So macht sie es ja auch selbst. Daniela Hungbaur