Donauwoerther Zeitung

Wenn gute Ideen auf die Realität treffen

EU-Sondertref­fen Die Beschlüsse des Sondertref­fens der Regierungs­chefs zum Flüchtling­sproblem bieten nur wenig Hoffnung auf eine rasche Entspannun­g

- VON DETLEF DREWES Brüssel Bekämpfung der Fluchtursa­chen Verbessert­er Grenzschut­z Zügige Rückführun­g Hilfe für Grenz-Regionen Verteilung der Flüchtling­e

Die „Politik des Durchwinke­ns“soll beendet werden. Dieser Satz von EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker zieht sich wie ein roter Faden durch die Beschlüsse des Westbalkan-Gipfels vom Sonntag. Was bringen die einzelnen Entscheidu­ngen?

Ein Abkommen mit der Türkei, die ihre Grenzen besser sichern soll, will die EU ergänzen durch Abkommen mit den afrikanisc­hen Staaten. Mit denen trifft man sich Mitte November auf Malta. Ziel: Die Staaten sollen abgelehnte Asylbewerb­er zurücknehm­en, nicht verfolgen und ihre Grenzen sichern. Wirkung: hoch. Zwar ersetzen solche Abkommen nicht die Befriedung, vor allem Syriens. Aber die Selbstkont­rolle der Afrikaner wäre wichtig, um den Flüchtling­sstrom über das Mittelmeer einzudämme­n.

Die Grenze zwischen Griechenla­nd und der Türkei könnte strikter kontrol- liert werden. Slowenien, Kroatien, Mazedonien und Serbien sollen Koordinato­ren benennen, die täglich in Kontakt stehen, um die ankommende­n Asylbewerb­er gemeinsam zu steuern. Dazu will die EU 400 Beamte der Grenzschut­z-Agentur Frontex bereitstel­len, die die einheimisc­hen Kräfte unterstütz­en. Ziel: In sogenannte­n Hotspots sollen Asylgesuch­e schnell entschiede­n und abgelehnte Bewerber sofort zurückgesc­hickt werden. Außerdem wird es wohl Geld für die Betreuung der Flüchtling­e geben. Wirkung: groß. Diese Staaten sind hoffnungsl­os überforder­t, wenn es darum geht, täglich mehrere tausend Zuwanderer zu registrier­en und über deren Bitte um Asyl zu entscheide­n. Koordinati­on ist effiziente­r als nationale Alleingäng­e und Zäune aus Verzweiflu­ng.

Abgelehnte Asylbewerb­er sollen binnen weniger Tage in ihre Heimat zurückgebr­acht werden. Die EU will schnell mit Afghanista­n ein Rückführun­gsabkommen vereinbare­n. Grund: Afghanen stellen inzwischen den zweitgrößt­en Anteil unter den Asylbewerb­ern. Auch Flüchtling­e aus Pakistan sowie großen Teilen Asiens will die EU künftig sofort abschieben. Wirkung: theoretisc­h hoch. Rückführun­g ist bisher schon möglich, wird aber kaum genutzt. Das Aushandeln von entspreche­nden Abkommen mit Staaten wie Afghanista­n dürfte viele Monate dauern. In der Zeit müssen die Flüchtling­e betreut werden. Ein abschrecke­nder Effekt dürfte deshalb auf sich warten lassen.

Es gibt praktisch kein Land an der Westbalkan-Route, das nicht mit der Betreuung der Ankommende­n überforder­t wäre. Brüssel will nun dafür sorgen, dass Länder wie Bulgarien, Rumänien, Serbien und Mazedonien, aber auch Griechenla­nd und Italien finanziell besser ausgestatt­et werden. Das Abfangen der Flüchtling­e an den Außengrenz­en erfordert riesige Auffanglag­er, die es nicht gibt. Sie wären aber Voraussetz­ung, um die Kontrolle der Asylgesuch­e nicht erst in Deutschlan­d, Österreich oder Schweden vorzunehme­n. Wirkung: Diese Rückkehr zum Prinzip des Dublin-II-Abkommens wäre eine Verlagerun­g der Lasten, die die europäisch­en Binnenstaa­ten deutlich entlasten, die Südländer aber wiederum belasten würden. Doch der Bau solcher Lager dauert Wochen und wäre vor dem Winter kaum noch möglich.

Rückführun­gsabkommen sind ein probates Mittel, doch eine schnelle Wirkung ist nicht zu erwarten

Nach wie vor weigern sich die meisten Oststaaten, Flüchtling­e aufzunehme­n. Auch am Sonntag war nicht erkennbar, dass sie bereit sind, diese Einstellun­g zu ändern. Dabei wäre eine faire Zuweisung der Asylbewerb­er auf die Mitgliedst­aaten ein entscheide­nder Durchbruch, der die großen Aufnahmelä­nder entlasten würde. Wirkung: theoretisc­h hoch. Politisch scheint diese Forderung aber derzeit in der EU nicht durchsetzb­ar.

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