Auf VW-Werkstätten kommt Arbeit zu
Auto 2,4 Millionen Diesel müssen hierzulande zurückgerufen werden. Vor diesem Hintergrund wird eine andere Strategie nachvollziehbar. Und wann kommen die neuen Abgastests?
Der Volkswagenkonzern erwägt für die Rückrufaktion der 2,4 Millionen Diesel hierzulande auch Eintauschprämien als Alternative zur Nachbesserung. Das ist aus Konzernkreisen und von Partnern des Autobauers zu erfahren. Bei der Idee, wonach VW die Wagen in Zahlung nehmen und gleichzeitig zusätzliche Anreize für einen Neuwagenkauf setzen könnte, stehen vor allem die betroffenen Motoren mit 1,6 Liter Hubraum im Fokus. Bei dem Aggregat reicht nicht nur ein Software-Update aus, es muss auch neue Technik her – mit entsprechenden Kosten für die Bauteile und die Arbeitsstunden.
VW-Kunden könnten vor allem bei Dieseln mit einer sehr hohen Laufleistung von einem eventuellen Eintausch profitieren, falls sie ohnehin mit einem Neukauf liebäugeln und VW sich großzügig bei der Restwertberechnung zeigt. „Entschieden ist da aber noch nichts, das ist alles noch im Fluss“, sagte ein Insider. Die Überlegungen seien aber „mehr als ein Gedankenspiel“. Völlig unklar sei noch, ob allen Kunden die Eintauschprämie als Alternative angeboten werden müsste oder ob sich dabei Grenzen ziehen ließen zwischen den infrage kommenden Hubräumen und Baujahren. Ein VW-Sprecher sagte nur, es sei „tägliches Geschäft“, dass der Konzern und die Händler über Angebote für Bestandskunden nachdächten.
In der Abgas-Affäre hatte VW eingeräumt, millionenfach Dieselwagen mit einer Software ausgestattet zu haben, die den Schadstoffausstoß auf Prüfständen der Behörden manipuliert. Die 8,5 Millionen Diesel, die nun in Europa zur Werkstatt müssen, sind laut Experten für den Kontinent der größte Rückruf überhaupt – und für VW sowieso. Neben VW-Pkw sind Audi, Seat, Skoda und die VW-Nutzfahrzeuge betroffen. Die ersten Wagen sollen von Januar nächsten Jahres an in die Werkstatt. Für die 1,6-Liter-Maschinen beginnt der Rückruf dagegen frühestens im Herbst 2016, da es hier neben der Software auch um die Bauteile geht.
Mit den hierzulande 2,4 Millionen zurückgerufenen Dieseln ergeben sich nach Berechnung der Deutschen Presseagentur 1100 Fahrzeuge pro VW-Vertragswerkstatt. Branchen-Insider gehen von durchschnittlich mindestens 90 Minuten Arbeitszeit pro betroffenem Wagen aus, worin neben der eigentlichen Nachbesserung auch die Zeit für Formulare und Dokumentation steckt. Damit ergeben sich gut 200 Arbeitstage für eine Kfz-Arbeitskraft – wenn diese sich ausschließlich mit dem Rückruf beschäftigte. Je nach Personalschlüssel und räumlichen Werkstattkapazitäten bräuchte also jeder VW-Servicepartner etliche Wochen für die Aktion. „Die muss aber neben dem ganz normalen Tagesgeschäft gewuppt werden“, gibt ein Experte zu bedenken. Damit scheinen sehr lange Wartezeiten absehbar. Auch aus diesem Grund hätten die Wolfsburger ein Interesse an dem Modell Umtausch statt Nachbesserung. Theoretisch könnte VW die alten Wagen außerhalb der EU verkaufen, etwa in der Türkei oder in Afrika. Sehr alte Autos kämen aber wohl einfach in die Schrottpresse.
Auch die Polizeiautos in Bayern sind betroffen
Nicht nur Privatpersonen sind von den VW-Rückrufen betroffen, sondern auch große Teile des Fuhrparks der Polizei. Das ergab eine Umfrage bei Innenministerien und Behörden. Rund 530 Wagen müssen demnach in Bayern zum Service. Details wisse man zwar noch nicht. „Da aber alle betroffenen Fahrzeuge laut der Volkswagen AG technisch sicher und fahrbereit sind, rechnen wir weder mit Engpässen im Fuhrpark noch mit sicherheitsrelevanten Einschränkungen“, hieß es. In Bayern liegen BMW und VW bei den Polizeianteilen etwa gleichauf.
Bosch-Chef Volkmar Denner fordert unterdessen eine zügige Einigung auf neue Regelungen für Abgasmessungen bei Autos. „Wir müssen uns schnell mit Brüssel über den neuen, weltweit einheitlichen Testzyklus WLTP und die Real Driving Emissions, also die Emissionen im realen Fahrbetrieb einigen“, sagte er. „Bis Ende dieses Jahres sollte das gelingen.“Nach dem Skandal um die Manipulation ist die Diskussion um diese Tests erneut in Gang gekommen. Die Werte werden in der Regel auf Prüfständen ermittelt, die keine realen Fahrbedingungen abbilden. Auch ohne Manipulation kommen also Unterschiede zustande. Umweltverbände kritisieren dieses Vorgehen seit langem. Am Mittwoch sollen in Brüssel voraussichtlich erste Vorentscheidungen über neue Abgastests getroffen werden. Auch die Grundsätze für CO2-Regelungen von Autos für die Zeit nach 2020 gehören nach Meinung von Denner noch in diesem Jahr diskutiert.