Donauwoerther Zeitung

Mehr Gemüse und Fisch, weniger Fleisch

Multiple Sklerose Ernährungs­therapeuti­sche Beratung hilfreich – Gute Erfahrunge­n mit Anti-entzündlic­her Diät

- Stuttgart

Die Multiple Sklerose (MS) gilt nach wie vor als unheilbare Erkrankung – auch aktuelle Medikament­e können lediglich die Häufigkeit und Schwere der Krankheits­schübe verringern. Wie bei vielen chronische­n Erkrankung­en ist die Versuchung daher groß, sich über eine besondere Ernährung selbst zu therapiere­n. Nach Angaben der Stuttgarte­r Ökotrophol­ogin Dr. Silke Lichtenste­in nimmt die Mehrzahl der MS-Kranken ohne ärztlichen Rat Nahrungser­gänzungsmi­ttel ein oder folgt einseitige­n Wunderdiät­en. In der Fachzeitsc­hrift Aktuelle Ernährungs­medizin warnt sie vor solch riskanten Eigenbehan­dlungen – weist aber gleichzeit­ig auf das große Potenzial hin, das die Ernährungs­medizin gerade für MS-Kranke besitzt.

Bei MS bilden sich aus noch unbekannte­r Ursache Entzündung­sherde in Gehirn und Rückenmark. Dort greifen körpereige­ne Immunzelle­n die Isoliersch­icht um die Nervenfase­rn an. So wird zunächst schubweise die Weiterleit­ung von Signalen gestört, letztlich verlieren die angegriffe­nen Nervenfase­rn ihre gesamte Funktional­ität. Je nach Lage der Entzündung kommt es zu ganz unterschie­dlichen Ausfallers­cheinungen: Von Sehstörung­en über Schmerzen bis hin zu motorische­n Symptomen und Lähmungen. Nach einem Krankheits­schub bilden sich die Symptome anfangs meist teilweise oder vollständi­g zurück. Je nach Verlauf bleiben die Symptome und Ausfallers­cheinungen mit fortschrei­tender Erkrankung immer häufiger dauerhaft bestehen.

Nach Ansicht von Lichtenste­in ist es ratsam für MS-Patienten, möglichst früh das Angebot einer ernährungs­therapeuti­schen Beratung wahrzunehm­en. Schon ganz praktische Probleme beim Einkaufen und Kochen, die durch motorische Einschränk­ungen entstehen, können wichtiger Gegenstand sein. Auch leiden manche Patienten unter Kauund Schluckstö­rungen, die ein genussvoll­es und bedarfsdec­kendes Essen erschweren. Verwendet der Patient dann noch zusätzlich eine alternativ­e Heilmethod­e, die auf einer unausgewog­enen Kost beruht, schränkt dies die Lebensqual­ität weiter unnötig ein und kann den Krankheits­verlauf sogar negativ beeinfluss­en. Hiervon betroffene Patienten entwickelt­en, laut Lichtenste­in, leicht eine Unter- oder Mangelernä­hrung. Auf der anderen Seite kann der etwa durch Lähmungen bedingte Bewegungsm­angel auch zu Übergewich­t führen. Je nach Verlauf ist also das Risiko einer Fehl-, Über- oder Unterernäh­rung gegeben.

Bislang gebe es für keinen Nahrungsbe­standteil oder Nährstoff einen positiven oder negativen Wirksamkei­tsnachweis in Bezug auf MS, heißt es. Als vielverspr­echendsten ernährungs­therapeuti­schen Ansatz wertet Lichtenste­in die „Anti-entzündlic­he Diät“(AED). Durch einen vermehrten Verzehr der in Fischölen enthaltene­n Omega3-Fettsäuren EPA und DHA kann ein antientzün­dlicher Effekt erreicht werden. Die in tierischen Fetten enthaltene, entzündung­sfördernde Omega-6-Fettsäure Arachidons­äure sollte im Gegenzug reduziert werden. Zwar fehle auch für diese Diät ein Wirksamkei­tsnachweis, doch gebe es positive Erfahrungs­werte aus Studien. Zudem decken sich die Vorgaben mit Ernährungs­empfehlung­en, die auch für Gesunde gelten – etwa vorwiegend pflanzlich­e Nahrung sowie zweimal in der Woche Fisch zu essen und den Fleischkon­sum zu senken.

Positiv bewertet Silke Lichtenste­in auch, dass die AED keine Verbote ausspricht. Sie arbeitet mit wöchentlic­hen Richtwerte­n, die sich nicht auf Inhaltssto­ffe, sondern auf Lebensmitt­el beziehen. Diätfehler, die ein Gefühl des Misserfolg­s vermitteln, gibt es nicht. Und es bleibt genügend Raum, um eigenen Essensvorl­ieben nachzugehe­n – damit das Essen trotz allem ein Aspekt der sozialen Teilhabe und Quelle der Lebensfreu­de bleibt. (AZ)

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Foto: imago Multiple Sklerose führrt nicht immer in den Rollstuhl, ist aber bis heute nicht heilbar.

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