Aufstehen verboten
Studie Zwölf Männer haben sich in Köln zwei Monate strenger Bettruhe auferlegen lassen. Wer durchhält, wird üppig belohnt. Ein Sportwissenschaftler erklärt, was es damit auf sich hat
Stellen Sie sich einmal vor, Sie dürften zwei Monate lang nicht aufstehen. Lesen, Fernsehen, Essen, Waschen und Toilettengang: Alles muss im Liegen verrichtet werden. 60 Tage lang. Zwölf kerngesunde Männer haben sich freiwillig für diese Form der Bettlägerigkeit entschieden. Der Lohn dafür ist üppig: Wenn sie durchhalten, bekommt jeder 15 000 Euro.
Das Ganze ist kein skurriler Wettbewerb, zu dem ein um Aufmerksamkeit buhlender Fernsehsender aufgerufen hat. Es ist eine Gesundheitsstudie, die derzeit beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln durchgeführt wird. Die Probanden, ausschließlich Männer im Alter zwischen 20 und 45 Jahren, müssen immer mit einer Schulter die Matratze berühren, das Bett ist zum Kopf hin leicht nach unten geneigt. Warum? In dieser Lage lässt sich ein Aufenthalt in der Schwerelosigkeit simulieren, weil die Männer ihre Beine nicht beanspruchen.
„Muskeln und Knochen bauen an Bord einer Raumstation relativ stark ab“, sagt Andreas Kramer von der Universität Konstanz. Der Sportwissenschaftler hat zusammen mit Forscherkollegen und einer Firma aus Baden-Württemberg ein Trainingsgerät entwickelt, dass diesen Muskel- und Knochenschwund bei Astronauten möglicherweise aufhalten kann. Der Abbau kommt daher, dass die Beine im Weltall weniger gefordert werden als auf der Erde, wo sie ständig der Schwerkraft entgegenwirken müssen.
Das Spezialgerät ermöglicht es nun, im Liegen ein Sprungtraining zu absolvieren. Die Hälfte der Männer macht dieses Training fünf bis sechs Mal pro Woche, die andere Hälfte nicht. So kann verglichen werden, wie groß der Trainingseffekt ist.
Zwar treiben Astronauten während ihrer sechsmonatigen Aufenthalte an Bord der Raumstation ISS täglich zwei Stunden Sport. Trotzdem könne es bei einigen zu Abbaueffekten kommen, sagt Kramer. Ob sich ein Training auf dem Sprungschlitten besser eignet als das gegenwärtige Sportprogramm auf der ISS, um dem vorzubeugen, wollen die Forscher bei der Studie im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation Esa herausfinden.
Weil Kramer dieses Training betreut, ist er fast während der gesamten Laufzeit der Studie vor Ort, in der Regel sieben Tage die Woche. Die Studienteilnehmer müssen sich neben dem Training regelmäßigen Messungen und Untersuchungen unterziehen: Denn Kramer und seine Forscherkollegen wollen nicht nur wissen, wie sich die Inaktivität während der zweimonatigen Bettruhe auf Knochen und Muskeln auswirkt. Sie untersuchen auch Veränderungen des Herz-Kreislauf-Systems oder des Gleichgewichtssinns.
Trotz Bettruhe haben die Teilnehmer einen geregelten Tagesablauf. Die Essensportionen sind bis aufs Gramm genau auf sie abgestimmt. Besuch ist nicht erlaubt, der Kontakt über Handy und Internet zur Außenwelt jedoch möglich. Einen Monitor zum Fernsehen und einen Computer hat jeder in seinem Einzelzimmer. Die Hälfte der Teilnehmer sind Studenten, die andere Hälfte Berufstätige, erklärt Kramer. Einige würden sogar – in ihrer Freizeit – arbeiten. Im Liegen, versteht sich. Anfang November ist die erste Runde der Studie vorbei.
Im Januar werden sich zwölf neue Teilnehmer für zwei Monate zur Bettruhe verdammen lassen. Kramer sucht noch Freiwillige.