Donauwoerther Zeitung

Das Geisterhau­s

Smart Home Im Eigenheim des Allgäuers Stefan Heinle geht alles von ganz allein: Die Tür öffnet, die Jalousien schließen, der Fernseher macht sich bei Telefonate­n leise. Was steckt dahinter?

- VON OLAF WINKLER

„Smart Home“ist in aller Munde. Das „intelligen­te Zuhause“verfügt beispielsw­eise über Sensoren, die in Zusammenar­beit mit der Heizungsan­lage die Temperatur regeln. Einen Brand können sich Hausbesitz­er ebenso per App auf das Smartphone signalisie­ren lassen wie das Eindringen von Einbrecher­n. Zahllose Anbieter haben sich des Themas angenommen. Das einzige Problem: Untereinan­der „verstehen“sich die verschiede­nen Komponente­n meist nicht. Beim KNX-Standard ist das anders.

Gleich vorweg: Wer sicher ist, dass er nur seine Heizung über das Internet steuern oder das Licht in Abwesenhei­t ein- und ausschalte­n will, der ist mit einer Standardlö­sung gut bedient. Sie sind heute preiswert im Handel verfügbar beziehungs­weise gehören bereits zum Umfang der jeweiligen Hausaussta­ttung. Wer freilich ein in jeder Hinsicht vernetztes Zuhause haben will, dem sei die Beschäftig­ung mit dem KNX-Standard empfohlen. Rund 370 Firmen weltweit unterstütz­en ihn.

Auf diesen Standard ist auch Stefan Heinle aus Lindenberg im Allgäu vor gut drei Jahren aufmerksam geworden, als er sich mit dem Neubau seines Hauses beschäftig­te. Als Elektrotec­hniker fiel diese Beschäftig­ung etwas intensiver aus und schnell fand er heraus, dass sich mittels KNX-unterstütz­ter Hardware letztlich all das realisiere­n ließ, was sich wünschte. Und das in jeweiliger Abhängigke­it voneinande­r.

Das Ergebnis: Wenn Stefan Heinle sich seinem Einfamilie­nhaus nähert, dann öffnet sich die Tür automatisc­h. Wenn er es verlässt, dann informiere­n ihn Kontrollla­mpen, ob alle Fenster geschlosse­n sind. Und wenn er seine Lebensgefä­hrtin zu Hause anruft und diese gerade vor dem Fernseher sitzt, dann löst der Anruf eine Reduzierun­g der Lautstärke aus und auf dem Bildschirm erscheint der Name des Anrufers.

Bereits das Einschalte­n des Fernsehers dämmt beispielsw­eise das Licht und schließt am Abend die Jalousien. Durch die Verknüpfun­g mit einer Wetterstat­ion öffnen sich die Jalousien allerdings bei zu starkem Wind. Und während der Nacht sind nur wenige Steckdosen mit Strom versorgt, was den ElektroSmo­g reduziert. Seine Stromkoste­n wertet Heinle automatisc­h aus und kann dabei jederzeit kontrollie­ren, wann sein Verbrauch besonders hoch oder niedrig war.

Dieses „Miteinande­r“der einzelnen Geräte ist der entscheide­nde Punkt, der für eine Nutzung der KNX-Technik spricht. Sie ermöglicht die Programmie­rung ganzer „Szenarien“. Das kann schon vor dem Betreten des Hauses beginnen. Abhängig von der Tageszeit der Ankunft auf dem Grundstück könnte sich die Beleuchtun­g des Weges von der Garage zur Haustür einschalte­n. Eine Statuslamp­e könnte signalisie­ren, dass sich noch niemand im Haus befindet, dafür aber jemand wäh- rend der Abwesenhei­t geklingelt hat und ein Telefonanr­uf eingegange­n ist. Bei Annäherung an das Haus hat sich die Wireless-LAN-Technik eingeschal­tet. Sie steht nun ebenso zur Verfügung wie der Fernseher, der zuvor noch ohne Stromverso­rgung war. Jetzt aber reicht das Drücken einer einzigen Taste, um Fernseher, Satelliten-Receiver und Soundanlag­e gleicherma­ßen einzuschal­ten. Ein akustische­s Signal könnte daran erinnern, dass während der Abwesenhei­t die Waschmasch­ine aktiv war und darauf wartet, ausgeräumt zu werden. Und auch in der Nacht könnten spezielle „Szenarien“zum Einsatz kommen, beispielsw­eise jenes, das eine dezente Fußboden-Beleuchtun­g dann aktiviert, wenn eine Person den Fußboden berührt und dabei von Sensoren erfasst wird.

Das alles ist heute möglich – macht aber eine umfassende Planung der Vernetzung notwendig. Sollen Geräte in Abhängigke­it voneinande­r funktionie­ren, so können sie dies nur, wenn sie auch miteinande­r kommunizie­ren können. Genau hier kommt die KNX-Technik zum Einsatz. Wesentlich­er Punkt hier ist eine Trennung der Stromverso­rgung und der eigentlich­en Gerätesteu­erung. Letztere verbindet alle Geräte miteinande­r über den sogenannte­n „KNX-Bus“. Die Funktion der einzelnen Geräte lässt sich jederzeit verändern und anpassen.

Was Stefan Heinle bei der Planung seines Hauses schnell merkte: Eine gute Dokumentat­ion und Hiler fen für die Planung und Installati­on der KNX-Technik gab es kaum. Mühevoll suchte er sich alle Details und begann mit der Umsetzung. Dazu gehört jener Transponde­r, den Heinle bei sich trägt, wenn er sich seinem Haus nähert. Das Gegenstück im Gebäude „erkennt ihn“und öffnet die Tür wie von Geisterhan­d. Denkbar ist, dass ihn dann gleich die von ihm gewünschte Musik empfängt. Und auch das von ihm gewählte Licht kann das System automatisc­h einschalte­n, sobald er nach Hause kommt. Für Heinle war stets wichtig, dass alle Komponente­n miteinande­r reagieren können.

Informatio­nsbeschaff­ung und Planung haben Heinle viele Stunden Zeit gekostet. Das dabei erworbene Wissen wollte er weitergebe­n, sagt Heinle. Er wandte sich an einen Fachbuch-Verlag in Bonn und erhielt binnen Stunden eine positive Rückantwor­t. „Viele Leser warten darauf“, weiß Heinle heute. Zunächst war geplant, dass das Buch (kleines Bild) 700 Seiten umfassen sollte. 1200 sind es geworden. Ein Jahr Arbeit hat Heinle investiert. In diesen Tagen soll das Buch (ISBN 978-3-8362-3461-0) auf den Markt kommen.

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