Unions-Bürgermeister rufen um Hilfe
Asyl Die Kommunalpolitische Vereinigung von CDU und CSU geht in der Flüchtlingskrise auf Distanz zur eigenen Parteichefin und Kanzlerin. Um den Zustrom zu begrenzen, verlangen sie eine Schließung der Grenze zu Österreich
Briefe erhalten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Amtschef Peter Altmaier mehr als genug. Nur die allerwenigsten davon bekommen die Regierungschefin und ihr engster Mitarbeiter persönlich zu Gesicht, in der Regel werden sie von Mitarbeitern bearbeitet und beantwortet. Dieser Brief dürfte allerdings für Furore im Kanzleramt sorgen. Denn er kommt direkt aus dem Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale der CDU am Klingelhöfer Dreieck, wo CDU-Chefin Angela Merkel, aber auch die KPV, die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands, ihren Sitz hat.
Geschrieben hat ihn Ingbert Liebing, der nicht nur Vorsitzender der KPV, sondern auch Chef der CDU in Schleswig-Holstein und kommunalpolitischer Sprecher der Unions- fraktion im Bundestag ist. Ein Mann der Basis, der die Interessen von mehr als 75 000 Amts- und Mandatsträgern der Union in den Gemeinden, Städten und Landkreisen vertritt.
Für ihn und die Kommunalpolitiker von CDU und CSU ist die Schmerzgrenze erreicht. Bei ihrer Bundesvertreterversammlung am 13. und 14. November in Saarbrücken wollen sie daher einen Antrag beschließen, in dem sie die Bundesregierung auffordern, die deutschen Grenzen zu schließen und zu sichern. „Das System von Schengen setzt sichere EU-Außengrenzen voraus. Solange dies nicht gewährleistet ist, halte ich die Sicherung der nationalen Grenzen für notwendig“, heißt es in dem Brief des KPV-Vorsitzenden, der an CDU-Kanzleramtschef Peter Altmaier, den Koordinator der Bundesregierung für die Flüchtlingspolitik, gerichtet ist und Zeitung vorliegt. Die Schließung der Grenzen werde sicherlich „nicht 100-prozentig gelingen“, sei aber ein wichtiges Signal in die Herkunftsländer, „dass Deutschland nicht schrankenlos alle Flüchtlinge aufnehmen kann“.
Die Forderung der Kommunalpolitiker nach einer Schließung der Grenze steht im Widerspruch zur bisherigen Position von Bundeskanzlerin Merkel, die bislang stets darauf verwiesen hat, dass es unmöglich sei, die gesamte 3000 Kilometer lange Außengrenze der Bundesrepublik lückenlos zu sichern.
Am 15. Oktober traf sich Altmaier zudem in einer von der Unionsfraktion organisierten Veranstaltung mit Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten von CDU und CSU, bei der er um Verständnis für die Politik Merkels warb. Doch das gelang ihm offenbar nicht vollständig. Nach Ansicht der Kommunalpolitiker der Union habe es keinen Sinn, eine Diskussion über Obergrenzen des Asylrechts theoretisch zu führen. „Wir müssen den Zustrom faktisch begrenzen“, so Liebing. „Wenn die Europäische Union sich nicht schnell auf eine gemeinsame Linie verständigen kann, müssen wir national alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen.“
Gegenüber unserer Zeitung bekräftigte Ingbert Liebing seine Forderung. „Die Kommunen sind mit ihren Kapazitäten bald am Ende, die Lage wird jeden Tag dramatischer. Feste Unterkünfte werden knapp, selbst bei Zelten gibt es Nachschubunserer probleme. Es dürfen sich nicht noch mehr Menschen auf den Weg machen.“Ausdrücklich stellte er sich hinter CSU-Chef Horst Seehofer. Er wolle „keinen Stacheldraht“zwischen Deutschland und Österreich, sehr wohl aber müsse die Bundesregierung der Regierung in Wien erklären, „dass die Flüchtlinge in Österreich in Sicherheit sind und nicht nach Deutschland einreisen können.“Das Gleiche werde Österreich auch seinen Nachbar erklären müssen.
Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Henning Otte, forderte unterdessen einen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung der Grenzen. Bundes- und Landespolizei seien derzeit bis an ihre Belastungsgrenze gefordert und sollten daher nach Artikel 35 des Grundgesetzes technische Amtshilfe der Bundeswehr erhalten.
„Es dürfen sich nicht noch mehr Menschen auf den Weg machen.“
KPV-Chef Ingbert Liebing