Donauwoerther Zeitung

Beim Barte des Pharaos

Deutsche reparieren Tutanchamu­ns Maske

- Kairo

Es war eine einzige Unaufmerks­amkeit an einem Augusttag des vergangene­n Jahres, die ausreichte, um ein Kulturerbe zu Bruch gehen zu lassen. Draußen die glühende Hitze Kairos. Drinnen, hinter dickem Panzerglas, Gesichtszü­ge aus purem Gold: Der kunstvoll gearbeitet­e Bart der Totenmaske von Pharao Tutanchamu­n hängt fragil unter dem Kinn. Noch – denn nun muss die Glühbirne in der Vitrine ausgewechs­elt werden. Es geschieht, was nicht geschehen darf: Als der altägyptis­che Kunstschat­z nach seiner Entnahme wieder auf den Sockel gehievt wird, bricht der Zeremonial­bart ab vom weltberühm­ten Konterfei. Panik im Ägyptische­n Museum. Der gestutzte König wird eilig – und etwas schlampig – wieder zusammenge­klebt.

Seit einigen Tagen beugen sich nun deutsche Spezialist­en über die Maske – um zu restaurier­en, was zu restaurier­en ist. „Shit happens“, sagt Christian Eckmann, Restaurato­r vom Römisch-Germanisch­en Zentralmus­eum in Mainz. Ausstellun­gsstücke könnten überall auf der Welt beschädigt werden, ob in Berlin, New York oder Kairo. Er sitzt im Schatten einer Palme. An ihm vorbei läuft eine Reisegrupp­e zum Eingang des Museums. Den Stolz des Hauses kriegt sie heute nur als Hologramm zu sehen. Das Original ist in den Händen der Experten.

„Der Kleber muss mechanisch entfernt werden“, erklärt Konservato­rin Katja Broschat. Er bestehe aus unlösliche­m Epoxidharz. Deshalb sitzen Eckmann und Broschat nun in einem Raum des Museums, der ein bisschen an einen Operations­saal erinnert: Gerätschaf­ten um sie herum, ein Scheinwerf­er und ein Mikroskop auf den liegenden Patienten und seinen Bart gerichtet. Um das Gold zu schonen, wird der Kleber mit Holzstäbch­en Millimeter für Millimeter abgeschabt. In einigen Tagen soll der Bart von der Maske getrennt werden – so wie er einst ins Museum gekommen war, nachdem der Ägyptologe Howard Carter 1922 die Grabkammer des Kinderphar­aos Tutanchamu­n im Tal der Könige in Luxor entdeckte.

Einiges deutet darauf hin, dass die Maske des vor rund 3300 Jahren gestorbene­n Herrschers und der Bart lediglich mit einer lösbaren Steckverbi­ndung zusammenge­halten wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die beiden Teile dann erstmals zusammenge­klebt. Bis fast 70 Jahre später das passierte, was Eckmann heute „das Malheur“nennt. Bis zum Ende des Jahres könnte es dauern, bis die blaugolden­e Königsmask­e wieder zusammenge­setzt ist. Ob dann mit einer Steckverbi­ndung, mit einem Magneten oder mit Spezialkle­bstoff, ist noch unklar.

Doch in dem Unglück liegt auch eine Chance: Die Arbeiten werden dazu genutzt, Untersuchu­ngen an der Totenmaske vorzunehme­n. Damit könnten unter anderem Hinweise für die weitverbre­itete Theorie gefunden werden, dass sie ursprüngli­ch gar nicht für Tutanchamu­n, sondern für eine Frau gedacht war. Außerdem weiß niemand, wie es im Barte des Tutanchamu­n aussieht und womit er gefüllt ist. Eckmann und Broschat werden bald die Ersten sein. Bis dahin sind Druck und Erwartunge­n gewaltig. Schließlic­h ist der unermessli­ch wertvolle Kunstschat­z ein Teil der ägyptische­n Identität, der auch Eckmann nicht kalt lässt: „Ich könnte besser schlafen, würde das schöne Stück wieder in der Vitrine stehen.“

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Ein Wesen mit blauem Schopf: „The Change“, der Wechsel, heißt die gigantisch­e Wandarbeit des Polen „Bezt“, die er 2013 in Miami, USA, malte.
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Foto: © Slinkachu / Street Art Reloaded, Prestel 2015 Leicht zu übersehen sind die Miniatur-Installati­onen von „Slinkachu“, der seine Werke stets fotografis­ch dokumentie­rt.
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Die unverkennb­are Handschrif­t des deutschen Street-Art-Künstlers „Case“: bunte Hände. Dieses Mural schuf er 2015 in Honolulu.
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Foto: dpa Der Bart ist dran, jedoch schnöde angeklebt.

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