„So kann es nicht weitergehen“
Koalition Vor dem Flüchtlingsgipfel am Sonntag bleibt die CSU bei ihrer Drohung, notfalls ihre drei Minister aus dem Kabinett abzuziehen. Doch die große Schwester reagiert gelassen
Sie sind dann mal weg, weit weg. Die Kanzlerin und der Vizekanzler haben Berlin verlassen, sind, wenn auch nur für einen Augenblick, den Niederungen der Tagespolitik entflohen und sonnen sich stattdessen im Glanze der internationalen Politik auf der Weltbühne. Angela Merkel ist in Peking, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zeitgleich in Moskau. Die Botschaft, die die beiden an diesem Donnerstag aussenden, ist eindeutig: Die Politik macht keine Pause, sondern geht normal weiter, auch wenn zu Hause CSU-Chef Horst Seehofer ungenannte „Vertraute“mit dem Auszug der drei CSU-Minister aus dem Bundeskabinett und damit mit dem Bruch der Großen Koalition drohen lässt – und dies ausdrücklich nicht dementiert, sondern bekräftigt, man sei „auf alles vorbereitet“.
Gleichwohl haben Merkel wie Gabriel bei ihren Reisen in die Hauptstädte der beiden UN-Vetomächte China und Russland auch die innenpolitische Flüchtlingsdebatte im Gepäck. Denn bei ihren Gesprächen mit Li Keqiang und Wladimir Putin geht es auch und vor allem um die Lage in Syrien, dem Land, aus dem derzeit die meisten Flüchtlinge kommen. Und insofern haben sie auch Horst Seehofer im Blick: Dessen lautstark vorgetragene Vorwürfe, die Bundesregierung kümmere sich nicht um das Flüchtlingsproblem, lasse den Freistaat Bayern mit dem Ansturm alleine und unternehme nichts, um den Zustrom zu begrenzen, seien falsch. Insofern gebe es keinen Grund, mit dem Bruch der Koalition zu drohen.
Ob die Botschaft in München verstanden wird? Am Donnerstag standen die Zeichen noch immer auf Sturm. In Berlin wurde genau registriert, dass sich zwar Horst Seehofer zurückhielt und kein neues Öl ins Feuer goss, aber auch die im Raume stehenden Drohungen vor dem Koalitionsgipfel am Sonntag nicht zurücknahm. Rückenstärkung gab es in der CSU-Landesgruppe. „In meinem Wahlkreis gibt es kaum noch Turnhallen, die nicht mit Flüchtlingen belegt sind. Nirgends ist das Flüchtlingsproblem so groß wie in Bayern“, sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Georg Nüßlein (Günzburg) gegenüber unserer Zeitung. Die CSU als Stimme Bayerns sehe klar, dass es so nicht weiterge- hen könne. „Deshalb geht es hier nicht um Drohungen. Wir verlangen von der CDU und der SPD ein klares ,Wir haben verstanden!‘.“Zudem erwarte die CSU von der Bundesregierung, dass sie den Zustrom „endlich aktiv begrenzt“.
In der CDU reagierte man hingegen eher gelassen auf die Drohungen aus München. Dass Seehofer seine Ankündigung wahr mache und die drei CSU-Minister Gerd Müller, Alexander Dobrindt und Christian Schmidt aus der Regierung abberufe, wurde in Fraktionskreisen als „unwahrscheinlich“bewertet. „Damit schadet er doch nur sich selber“, hieß es. Der stellvertretende CDUChef und baden-württembergische Landesvorsitzende Thomas Strobl wies gegenüber unserer Zeitung die Vorwürfe Seehofers entschieden zurück. Der Zustrom von Flüchtlingen sei die „größte Herausforderung in der Geschichte unserer Republik“, es gebe „keine Patentrezepte“. Angela Merkel habe mit den Ministerpräsidenten der Länder die „größte Asylrechtsreform seit den 1990er Jahren“beschlossen. „Das zeigt: Angela Merkel, die CDU-geführte Koalition und die CDU-geführte Regierung handeln. Wir haben einen Plan – und gehen Schritt für Schritt vor.“In der Diskussion zwischen CDU und CSU helfe es
„Es geht hier nicht um Drohungen. Wir verlangen von der CDU und der SPD ein klares ,Wir haben verstanden‘.“
Georg Nüßlein, CSU
nicht weiter, Drohkulissen aufzubauen, sagte Strobl. „Nichts schadet uns mehr als öffentlicher Streit.“
Wie aus Koalitionskreisen verlautete, dürfte beim Gipfel am Sonntag die Einrichtung von Transitzonen an den Grenzen im Mittelpunkt der Beratung stehen. CDU und CSU fordern derartige Einrichtungen, um Flüchtlinge, die ohne Pässe einreisen wollen, schon an der Grenze zurückweisen zu können, die SPD ziert sich noch. Die Bayerische Staatsregierung hält sie für ein äußerst wichtiges Instrument, um den Zustrom zu regulieren und an die Flüchtlinge die Botschaft zu senden, dass nicht jeder in das Land hereinkomme. Vom Gipfel müsse das Signal ausgehen, „dass es so nicht weitergeht“.