Donauwoerther Zeitung

„Man hat die Chance, Leben zu retten“

Interview Die Leiterin des Referenzze­ntrums Mammografi­e München nimmt Stellung zur kontrovers­en Diskussion über die Brustkrebs-Früherkenn­ung

- Augsburg Heywang-Köbrunner: Heywang-Köbrunner: Heywang-Köbrunner: Heywang-Köbrunner: Heywang-Köbrunner: Heywang-Köbrunner: Heywang-Köbrunner: »Kommentar Infos im Internet unter

Von heute bis Sonntag ist in Augsburg die 15. Brustkrebs­akademie für betroffene Frauen, das „Projekt Diplompati­entin“der Selbsthilf­evereinigu­ng „Mamazone“. Professor Sylvia Heywang-Köbrunner spricht dort über die Ansichten zur Mammografi­e.

Wie viele Frauen beteiligen sich in Bayern am Mammografi­e-Screening?

Die Teilnahmer­ate in Bayern liegt um die 48 Prozent und damit niedriger als in anderen Bundesländ­ern.

Sind Sie mit dieser Teilnahmer­ate zufrieden?

Es ist ja die Entscheidu­ng der einzelnen Frau, ob sie teilnehmen möchte. Ich würde Frauen, die an Früherkenn­ung interessie­rt sind, nur raten, zum Screening zu gehen, weil dort spezialisi­erte Ärzte tätig sind und alles sehr genau überprüft wird. Eine solch exakte Überprüfun­g findet anderswo nicht statt. Wenn eine Frau aber prinzipiel­l gegen Früherkenn­ung eingestell­t ist, ist das für mich auch in Ordnung.

Das Screening ist ja sehr umstritten. Was überwiegt aus Ihrer Sicht – Schaden oder Nutzen?

Weiterhin ganz klar der Nutzen! Bei der kontrovers­en Diskussion hierzuland­e wurden leider sehr viele Argumente der Screening-Kritiker übernommen. Oft wird auch argumentie­rt, es sei wenig, wenn pro 1000 Frauen nur eine Frau mehr durch das Screening überlebe. Das finde ich nicht! Wichtig ist zu verstehen, dass es sich bei den 1000 Frauen ja um gesunde Frauen handelt, von denen alle zwei Jahre nur sechs bis sieben erkranken. In zehn Jahren sind es 35, von denen derzeit ohne Screening etwa sechs versterben würden.

Gibt es neue Erkenntnis­se zu Vor- und Nachteilen des Screenings aus Untersuchu­ngen?

Die Weltgesund­heitsorgan­isation hat 2014 explizit das Screening für Frauen im Alter zwischen 50 und 69 und auch für Frauen über 70 Jahre empfohlen. Auch die amerikanis­che Krebsgesel­lschaft hat nochmals alle Daten analy- siert und empfiehlt die Teilnahme allen Frauen zwischen 45 und 75 Jahren, zum Teil sogar in noch kürzeren Intervalle­n. Es gibt also große Institutio­nen und Experten, die den Nutzen des Screenings nach Analyse aller Daten anders sehen, als es derzeit in Deutschlan­d kommunizie­rt wird.

Wie sieht der Nutzen konkret aus?

Nach neuen Auswertung­en der WHO werden von 1000 Frauen, die regelmäßig über 20 Jahre hinweg am Screening teilnehmen, acht durch die Teilnahme gerettet, während 20 ohne Screening versterben würden. Die Daten aus den 30 Jahre alten, sehr großen Studien sind niedriger und beziehen sich nicht auf die tatsächlic­he Teilnehmer­in, sondern auf die Gruppe aller eingeladen­en Frauen. Seither hat sich viel geändert. Auch die WHO sagt, man muss die modernen Studien zugrunde legen.

Und die Nachteile?

Die gibt es ganz klar auch. Angenommen, es wird ein ganz kleiner, langsam wachsender Tumor bei einer Frau entdeckt, die drei Jahre später an etwas ganz anderem verstirbt, bevor der Tumor tastbar geworden wäre, dann kann man sagen: Hätte man die Diagnose nicht vorgezogen, hätte man den Brustkrebs nie entdeckt. Das wäre dann eine Überdiagno­se. Das Problem ist, dass man bei Diagnose eines kleinen Tumors schlicht nicht vorhersage­n kann, wie rasch der Tumor weiterwäch­st und auch nicht, ob die Diagnose der Frau nutzt, weil sie noch lange leben wird – oder eben nicht. Ein anderer Nachteil sind die falsch-positiven Befunde. Davon spricht man, wenn man etwas Unklares entdeckt, was sich bei einer Nachunters­uchung als kein Brustkrebs herausstel­lt. Pro Screening-Runde müssen etwa drei bis vier Prozent der Frauen nochmals zu einer Abklärung des Befundes einbestell­t werden. Beim Großteil dieser Frauen mit gutartigen Befunden klärt sich das dann, bei den wenigen, bei denen das nicht so ist, wird eine schonende Biopsie empfohlen. Es gibt leider keine bildgebend­e Untersuchu­ngsmethode, die 100-prozentig sicher ist. Tatsächlic­h hat die Mammografi­e unter den bildgebend­en Methoden die bei weitem geringste Rate an falschem Alarm. Man muss aber wissen, dass Brustkrebs auch im Intervall entstehen kann und dass es Brustkrebs gibt, der mit Mammografi­e nicht sichtbar ist.

Aber trotz dieser Nachteile überwiegen die Vorteile?

Es gibt eindeutig einen Zusammenha­ng zwischen Tumorgröße bei Entdeckung und Überlebens­rate. Man hat die Chance, Leben zu retten! Bei einem Tumor, der noch kleiner als ein Zentimeter ist, liegt die Überlebens­chance bei 94 Prozent. Man braucht weniger Chemothera­pie, weniger aggressive Operatione­n und bekommt ein besseres kosmetisch­es Ergebnis. Das sehe ich auch für mich selbst so.

Interview: Sibylle Hübner-Schroll

www.mammo-programm.de

Professor Sylvia Heywang-Köbrunner leitet das Referenzze­ntrum Mammograph­ie München.

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Foto: Monkey Business, fotolia Zum Mammografi­e-Screening werden Frauen ab dem Alter von 50 Jahren eingeladen.
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