Donauwoerther Zeitung

Bizarres Wechselspi­el

Turnen Warum zwei US-Girls, die nie in Weißrussla­nd waren, bei der WM für das Land starten

- Glasgow

Alaina Kwan und Kylie Dickson aus den USA haben bei den Weltmeiste­rschaften in Glasgow für so viel Aufsehen gesorgt wie sonst nur die Stars der Turn-Szene. Kwan und Dickson turnten nicht etwa im siegreiche­n US-Team, sondern in den Trikots von Weißrussla­nd. Ein Land, dessen Sprache sie nicht sprechen – und dem sie auch noch nie einen Besuch abstattete­n.

Über die sozialen Netzwerke löste der Start für das von Machthaber Alexander Lukaschenk­o autoritär geführte Regime eine Beschimpfu­ngs-Arie aus. Viele Amerikaner warfen den beiden „unpatrioti­sches Verhalten“vor. Auch Fans und Turn-Experten schütteln den Kopf.

Sichtlich genervt reagierten beide auf Nachfragen zu ihrem ungewöhnli­chen Trikotwech­sel. „Ich wollte mal bei einer Weltmeiste­rschaft Erfahrunge­n sammeln. Und ich hatte Spaß dabei. Alles andere blende ich aus“, verteidigt­e sich die 17 Jahre alte Alaina Kwan. Die Frage, ob sie denn demnächst russisch lernen wolle, überhörte sie geflissent­lich.

Im Juli hatten beide bei den USClassics auf den Plätzen neun und elf die Qualifikat­ion für die nationalen Meistersch­aften verpasst. Danach entstand bei ihren Trainern Galina Marinowa und Artur Akopjan die Idee von der WM- und vielleicht auch Olympia-Teilnahme über den Umweg Weißrussla­nd. Der SprungWelt­meister von 1983 für die UdSSR und die bulgarisch­e Olympia-Teilnehmer­in von 1980 ließen ihre Beziehunge­n spielen und fanden bei der einstigen Star-Turnerin Nellie Kim offene Ohren. „Wenn ich um Rat gebeten werde, dann helfe ich“, erklärte die fünfmalige Olympiasie­gerin. Nellie Kim ist heute Funktionär­in im Weltverban­d und auch Vizepräsid­entin des weißrussis­chen Turn-Verbandes, der derzeit keine Weltklasse­athletin in seinen Reihen hat. Umgehend erhielten die US-Girls neben der amerikanis­chen auch die weißrussis­che Staatsbürg­erschaft.

„Unsere Trainer haben das so entschiede­n. Und wir sind froh, dass wir hier sein können“, kommentier­te die 16-jährige Kylie Dickson. „Es ist eine Ehre, für Weißrussla­nd zu starten.“Zugleich gab sie zu, keinerlei Kontakt zu ihrem neuen Team zu haben. „Unser Trainer hat gute Kontakte zu Nellie Kim, und das ist eben unsere Art der Verbundenh­eit“, meinte Dickson.

Alaina Kwan offenbarte allerdings auch einen Gewissensk­onflikt: „Ich war mir nicht sicher, wie ich mich im Trikot Weißrussla­nds fühle, denn ich bin Amerikaner­in. Aber ich sehe die Vorteile: Ich kann durch die Welt reisen. Ich mache das nur für ein anderes Land.“

Ihre Reise dürfte weitergehe­n. Denn durch die Plätze 71 (Kwan) und 73 (Dickson) holten sie in Glasgow einen Einzel-Startplatz für Weißrussla­nd bei den vorolympis­chen Tests im April 2016 in Rio. Wer von beiden um das OlympiaTic­ket kämpfen darf, soll im Frühjahr entschiede­n werden.

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Foto: dpa Eine Amerikaner­in, die für Weißrussla­nd turnt: Alaina Kwan bei der WM in Glasgow.

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