Donauwoerther Zeitung

Gute Wurst, schlechte Wurst

Ernährung Die Weltgesund­heitsorgan­isation hat verarbeite­tes Fleisch zum Erreger von Darmkrebs erklärt. Nun ist die Verunsiche­rung groß. Eine Expertin klärt über Schaden und Nutzen tierischer Produkte auf

- VON BENJAMIN REIF Augsburg

Die Warnungen der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) zum Konsum von verarbeite­tem Fleisch scheinen einen Nerv getroffen zu haben – zumindest bei einem Teil der Bevölkerun­g. Jeder Siebte will nach der Warnung, verarbeite­tes Fleisch könne Darmkrebs verursache­n, nun weniger davon essen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov.

Die Mehrheit der Bürger gibt sich von der Meldung allerdings völlig unbeeindru­ckt. 68 Prozent der Befragten sagten, für sie habe die Meldung keinen Einfluss auf ihren Fleischkon­sum. Die Internetge­meinde macht sich derweil unter dem Stichwort #wurstgate lustig. Da werden gelb umrahmte „WurstEss-Bereiche“am Bahnhof gefordert oder Ratgeber für „Wurstfrei in 15 Minuten“angepriese­n.

Die WHO rudert unterdesse­n ein Stück weit zurück. Man wolle keine Panik verbreiten, heißt es in einer Erklärung. Ein Verzicht auf verarbeite­te Fleischpro­dukte sei für einen gesunden Lebenswand­el nicht zwingend notwendig. Die Menge mache es eben aus.

Was ist aber nun so gefährlich an verarbeite­tem Fleisch? Und wird das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, durch die wertvollen Inhaltssto­ffe wieder wettgemach­t? Die Ernährungs­wissenscha­ftlerin Nicole Erickson vom Klinikum Rechts der Isar in München stellt klar, dass man die Fakten einzeln betrachten müsse. „Man muss das Risiko von Darmkrebs und die positiven Nährwerte von Fleisch strikt voneinan- trennen. Das eine kann man nicht benutzen, um das andere zu relativier­en“, sagt Erickson. Auf der einen Seite enthalte Fleisch hochwertig­es Eiweiß, Eisen und B-Vitamine. Alles wichtige Stoffe für die allgemeine Gesundheit, allerdings bis auf manche B-Vitamine auch in Pflanzen zu finden. Auf der anderen Seite steht das erhöhte Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Pro 50 Gramm täglich verzehrtem verarbeite­tem Fleisch steigt dieses laut WHO relativ um 18 Prozent. Aller- dings liegt der Grundwert laut dem Westfälisc­hen Institut für Wirtschaft­sforschung, im Leben an Darmkrebs zu erkranken, bei vergleichs­weise niedrigen fünf Prozent. Durch 50 Gramm Wurst täglich stiege er beispielsw­eise auf sechs, bei 100 Gramm täglich konsumiert­er Wurst auf sieben Prozent an.

Was genau an verarbeite­tem Fleisch nun den Darmkrebs begünstige­n kann, wissen die Forscher noch nicht. Die Ernährungs­wissenscha­ftlerin erklärt: „Man hat die Urder sache auf zwei verschiede­ne Stoffe eingegrenz­t. Entweder sind Nitratsalz­e oder der Farbstoff des roten Fleischs verantwort­lich.“

Sollte sich die Forschung in der Zukunft auf einen der beiden Stoffe als Krankheits­erreger festlegen, wären die Folgen für die Fleischver­arbeiter wohl enorm. Würde das Salz als Verursache­r enttarnt, hätten die Metzger recht in der Aussage, ihr Produkt wäre weniger gefährlich als Massenware aus der Fabrik. Denn abgepackte Wurstwaren enthalten in aller Regel mehr Salze als die Ware beim Metzger. Stellt sich aber der rote Fleischfar­bstoff als Übeltäter heraus, wäre es egal, wie die Wurst verarbeite­t worden ist. Denn dessen Gehalt ist nicht abhängig von der Verarbeitu­ng.

Doch auch abseits der Krebsgefah­r hat Fleischkon­sum seine Tücken. Denn neben den Nitratsalz­en enthält Wurst auch viel mehr Fett als unverarbei­tetes Fleisch. „Tierisches Fett ist allgemein schlechter als pflanzlich­es“, sagt Erickson. Gesättigte Fettsäuren sind fast ausschließ­lich in tierischen Produkten zu finden und sehr ungesund. Herzerkran­kungen und Schädigung­en der Blutgefäße gehen auf ihr Konto. Zwar enthält Fleisch auch hochwertig­e Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren, doch auch hier gibt es einen Haken. „Bei den Omegasäure­n kommt es auf das Verhältnis der beiden Arten an. Und die stimmt durch die Fütterung in der Massentier­haltung in der Regel nicht mehr“, erklärt Erickson. Je natürliche­r sich ein Tier ernährt, desto hochwertig­er wird auch sein Fleisch.

Und dann ist da noch die Belastung von Fleisch durch Antibiotik­a. Geflügelfl­eisch steht zwar, im Gegensatz zum roten Fleisch, nicht im Verdacht, das Darmkrebs-Risiko zu erhöhen. Doch ist Geflügel stärker mit Antibiotik­a versetzt, bestätigt Erickson. „Diese sind noch nicht im Zusammenha­ng mit Krebs aufgefalle­n. Doch kann es durch den Konsum zu gefährlich­en Immunitäte­n beim Menschen kommen.“Medikament­e, die gegen schwere Krankheite­n eingesetzt werden, könnten so ihre Wirkung verlieren.

 ?? Foto: Printemps, Fotolia ?? Wurst gehört für viele Menschen zu einer guten Brotzeit dazu. Durch die Warnung der Weltgesund­heitsorgan­isation überdenken nun aber einige ihren Konsum. Die Mehrheit ist allerdings unbeeindru­ckt.
Foto: Printemps, Fotolia Wurst gehört für viele Menschen zu einer guten Brotzeit dazu. Durch die Warnung der Weltgesund­heitsorgan­isation überdenken nun aber einige ihren Konsum. Die Mehrheit ist allerdings unbeeindru­ckt.

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