Donauwoerther Zeitung

Die Grenzen der Psychologi­e

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Mario Draghi ist die Angela Merkel der Geldpoliti­k. Denn den Präsidente­n der Europäisch­en Zentralban­k verbindet mit der deutschen Kanzlerin eine ähnliche psychologi­sche Strategie. Beide setzen auf Beruhigung. Beide wollen Vertrauen in einer Situation äußerster Bedrängnis schaffen.

So hat Merkel an die Deutschen angesichts des Zustroms hunderttau­sender Flüchtling­e appelliert: „Wir schaffen das!“Die CDUChefin versucht, den Bürgern Mut einzuflöße­n. Draghi ging ähnlich vor: Als die Euro-Gemeinscha­ft durch die Schulden-Krise am Abgrund stand, gab er eine Erklärung ab, die keine Zweifel aufkommen ließ: Er werde alles unternehme­n, um den Euro zu retten. Sein „Wir schaffen das!“lautet „Es wird genug sein!“Damit signalisie­rte der Italiener, dass er ohne Ende Geld in die Märkte pumpen wird, um Krisenländ­ern wieder auf die Beine zu helfen. Doch „Genug ist nicht genug“, wie der Liedermach­er Konstantin Wecker singt. Psychologi­e hat ihre Grenzen.

Auch deswegen schafft es Merkel nicht, mit ihrem ehrenwerte­n humanistis­chen Appell tief sitzende Ängste der Deutschen zu zerstreuen. Und Draghi musste erkennen, dass er selbst mit einer rabiaten Nullzins-Politik Unternehme­r nicht dazu animieren kann, massenhaft Schulden aufzunehme­n und kräftig in Südeuropa zu investiere­n.

Den europäisch­en Chef-Psychologe­n Merkel und Draghi wurden die Grenzen ihrer Macht aufgezeigt. Sie könnten zu tragischen Figuren der Zeitgeschi­chte werden, so heldenhaft sie auch handeln mögen.

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