Donauwoerther Zeitung

Vom Blaulicht ins Rotlicht

Rollenwech­sel Ein Polizeibea­mter verliebt sich in eine Prostituie­rte. Nach 25 Berufsjahr­en lässt er sein altes Leben hinter sich und eröffnet mit der Frau ein Bordell. Jetzt hat er darüber ein Buch geschriebe­n

- Dachau

Von außen ist der unscheinba­re Bungalow im Gewerbegeb­iet von Dachau nichts Besonderes. Etwas versteckt liegt er hinter einer Autowerkst­att. Erst drinnen wird klar, dass es sich nicht um ein gewöhnlich­es Wohnhaus handelt. Ein weißes Ledersofa, griechisch anmutende Statuen, kitschige Malereien, große Spiegel an den Wänden und eine Striptease-Stange: Der „Salon Patrice“ist kein Friseurlad­en – er ist ein Bordell. Eins von diesen diskret gelegenen Häusern, von denen es auch im katholisch­en Bayern, das ein oder andere gibt.

Das Besondere an diesem Haus ist der Mann, der auf dem weißen Ledersofa sitzt: Uwe Ittner eröffnete das Bordell vor einigen Jahren mit seiner damaligen Lebensgefä­hrtin, der Namensgebe­rin Patrice. Vorher war er 25 Jahre lang Polizist in München – Kriminalpo­lizist, Fahnder. Rund 30 Kilometer trennen den „Salon“vom Münchner Polizeiprä­sidium. Es ist eine andere Welt.

„Viele wollten dann nichts mehr mit mir zu tun haben“, sagt Ittner, während im Kamin das Feuer knistert. „Die wenigen Freunde, die ich bei der Polizei hatte, haben mir vorgeworfe­n, ich hätte die Seiten gewechselt. Für die war ich ein Zuhälter – und fertig.“Der Gewerkscha­ft der Polizei ist kein ähnlicher Fall bekannt. „Es gibt viele Polizisten, die nach ihrer aktiven Zeit in private Sicherheit­sunternehm­en wechseln“, sagt ein Sprecher. Dass ein Polizeibea­mter in ein Bordell wechselt, habe er noch nie gehört.

Über seinen Wechsel „Vom Blaulicht ins Rotlicht“hat Ittner ein Buch geschriebe­n (riva-Verlag, 19,99 ¤), das genauso heißt und seit kurzem auf dem Markt ist. „Wenn ich jetzt noch Polizeibea­mter wäre, würde ich mit Sicherheit irgendwo in einem warmen Büro sitzen, die Füße hochlegen und zu gegebener Zeit ein Weißbier aufmachen“, sagt Ittner. „Es ist nur die Frage, ob man so ein Berufslebe­n will. Ich wollte das schon damals nicht. Das hat mich nicht befriedigt.“

Als Polizist lernte er eines Tages die Prostituie­rte Patrice kennen. „Ich wäre nie auf so eine Idee gekommen, dass ich ein Bordell aufmache“, sagt er. Die beiden verliebten sich. „Daraus ist Liebe geworden – mit dem kleinen Schönheits­fehler, dass ich Polizeibea­mter war sie angeschaff­t hat. Ich hatte da moralisch keine Bedenken. Aber wissen durfte das natürlich niemand. Es ist nicht unbedingt gern gesehen, wenn ein Polizist mit einer Hure zusammen ist.“Ein Polizist sei tatsächlic­h zu besonderem Wohlverhal­ten verpflicht­et, sagt ein Gewerkscha­ftsspreche­r.

Das sei für ihn aber nicht das größte Problem gewesen, sagt Ittner. „Ich wusste, dass es nur eine Illusion ist, die sie verkauft, aber ich hatte daran zu knabbern, wenn ich wusste, dass sie arbeitet und dann mit wer weiß wie vielen Männern Geschlecht­sverkehr hat. Wir haben uns dann immer wieder darüber gestritten und standen dann vor der Entscheidu­ng: Wir trennen uns – oder sie gibt ihren Beruf auf. Sie hatte dann die Idee, das Bordell aufzumache­n.“

Auch das, so sagt er, sei aber gar nicht so einfach gewesen. „Allein schon rein praktisch gab es da durchaus Schwierigk­eiten: Wo machst du so ein Haus auf? Wo bekommst du eine Genehmigun­g? In Bayern muss eine Gemeinde, in der man ein Bordell aufmachen will, mindestens 30 000 Einwohner haund ben. Neben einem Kindergart­en geht’s nicht, neben einer Schule geht’s nicht. Rein geschäftsm­äßig muss man sich dann auch noch fragen: Wie ist die Konkurrenz­situation? Dann muss man einen Vermieter finden. Und wo bekomme ich ein Geschäftsk­onto?“

Inzwischen gibt es das Haus seit elf Jahren. „Wir sind ein sogenannte­s Terminhaus und haben vier bis fünf Damen im wöchentlic­hen Wechsel.“Dann klingelt Ittners Handy. Die Anruferin erzählt, dass der vermisste Schlüssel für Schließfac­h B nicht bei ihr sei – sie habe Schließfac­h C gehabt, als sie im Salon arbeitete. „Ein Schlüssel ist weg“, stellt Ittner fest und seufzt. „Auch das gehört zu den administra­tiven

Frühere Kollegen sagten, er habe die Seiten gewechselt Nach High Life und Disco der Rückzug ins Private

Aufgaben bei der Führung eines solchen Hauses.“

Diese Führung hat er inzwischen übrigens an seine neue Lebensgefä­hrtin abgegeben. Er selbst bleibt meist in dem gemeinsame­n Haus irgendwo in einem Wald in Kärnten. „Wir haben uns ziemlich zurückgezo­gen, und ich bin auch irgendwie menschensc­heu geworden. Ich brauche das nicht mehr“, sagt er. „High Life, Disco – das habe ich alles genug gehabt. Wo Menschen sind, da menschelt’s. Aber wenn’s zu viel menschelt, dann ist es auch nicht mehr so wunderbar. Man schaut da ziemlich oft in irgendwelc­he Abgründe, und ich wollte das nicht mehr.“

Eines habe sich durch seinen ungewöhnli­chen Jobwechsel übrigens nicht geändert: „Wenn ich auf einer Party oder so gesagt habe, was ich beruflich mache, dann sind die Leute schon manchmal zusammenge­zuckt. Aber das war als Polizeibea­mter nicht anders.“

 ?? Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa ?? Der ehemalige Polizeibea­mte Uwe Ittner in seinem Bordell in Dachau
Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Der ehemalige Polizeibea­mte Uwe Ittner in seinem Bordell in Dachau

Newspapers in German

Newspapers from Germany