Donauwoerther Zeitung

Immer mehr Lücken auf dem Friedhof

Allerheili­gen Die Grabreihen auf Friedhöfen lichten sich zusehends. Immer mehr Menschen lassen sich in Urnen bestatten – auch im Hinblick auf fehlende Angehörige, die die Gräber später pflegen sollen

- VON ALEXANDRA SCHNEID Donauwörth

Wenige Tage vor Allerheili­gen wirkt der Friedhof in Donauwörth fast lebendig. Zahlreiche Menschen richten die Gräber ihrer gestorbene­n Angehörige­n. Frische Blumengest­ecke, Keramikfig­uren und -schalen sowie Kerzen zieren die Gräber. In den Reihen tun sich Lücken auf. In ihnen sind aber noch kleine Bäume angepflanz­t. Oder die leeren Stellen sind mit Kies aufgeschüt­tet. Ein Bild, das Markus Seißler seit Jahren zunehmend beobachtet.

Er arbeitet bei der Friedhofsv­erwaltung in Donauwörth. „Jedes Jahr kommen mehr Erdgräber weg als neue verkauft werden“, stellt er fest. Auf dem Friedhof in Donauwörth seien derzeit 2500 Erdgräber untergebra­cht, davon fielen jedes Jahr 30 bis 40 weg. Der Trend gehe Richtung Urnengräbe­r. 600 bis 700 gebe es bereits auf dem Friedhof. Tendenz steigend: 20 bis 30 Urnen kämen pro Jahr hinzu. Vor zehn Jahren habe das noch ganz anders ausgesehen, berichtet Seißler. Zwei Drittel aller Gräber seien Erdgräber gewesen, nur ein Drittel Urnen. „Heute ist das beinahe umgekehrt“, sagt Seißler.

Den Trend spürt auch Dorothea Uhl in ihrem Bestattung­sdienst in Bäumenheim. Nicht ganz die Hälfte aller Bestattung­en, die ihr Unternehme­n momentan vornimmt, sind Feuerbesta­ttungen. Hauptgrund ist die Grabpflege. „Oftmals wohnen die Kinder der Verstorben­en weiter weg. Wer soll sich dann um das Grab kümmern?“, fragt Uhl.

Markus Seißler bekommt dieses Argument ebenfalls oft zu hören: „Die junge Generation findet man nicht mehr auf dem Friedhof. Sie hat andere Interessen als Gräber zu pflegen.“Uhl erzählt, dass sich ein Großteil der Leute in der Region schon zu Lebzeiten für eine Feuerbesta­ttung entscheide – im Hinblick auf die fehlenden Angehörige­n, die die Grabpflege einmal übernehmen sollen.

Ein Grund, mit dem sich Barbara Rößner, Angestellt­e bei Steinmetz Reiner in Buchdorf, die steigende Nachfrage nach pflegeleic­hten kleinen Urnenplatt­en erklären könnte. 40 mal 40 Zentimeter seien diese groß, versehen mit dem Namen des Gestorbene­n.

Außerdem werden immer mal wieder Grabplatte­n verkauft, die die Gräber entweder halb oder vollständi­g abdecken. Angehörige­n wird so die Pflege erleichter­t oder gar abgenommen.

Ein Grund, warum sich immer mehr Menschen in Urnen bestatten lassen, sind auch die Kosten. Bei der Beerdigung hielten sich diese für Urnen und Gräber zwar die Waage, schätzt Dorothea Uhl vom Bestattung­sdienst. Doch alles, was danach anfalle, zum Beispiel die Pflege, sei bei Gräbern teurer. Auch dass die Menschen immer umweltbewu­sster denken, spiele eine Rolle. Bei einer Feuerbesta­ttung bleibe ja nur die Asche übrig. „Der Trend geht zu biologisch abbaubaren Urnen“, sagt Uhl. Diese werden unter der Erde beigesetzt und zersetzen sich im Laufe der Jahre.

Um der Entwicklun­g gerecht zu werden, bietet die Stadt Wemding auf ihrem Friedhof gleich vier Möglichkei­ten den verbrannte­n Leichnam zu bestatten: in Erstgräber­n unter der Erde, in einer Urnenwand, in Feldgräber­n oder in Urnenstele­n. Eine Urnenwand gebe es schon seit einigen Jahren, berichtet Luisa Lechner, die in Wemding für das Friedhofsw­esen zuständig ist. 36 Urnen seien derzeit dort untergebra­cht. Vor wenigen Jahren kamen Feldgräber hinzu.

Diese seien mit einem Grabstein und einer Umfassung versehen – wie ein normales Grab, nur eben viel kleiner, erklärt sie. Von 27 Feldgräber­n seien 23 belegt, zehn weitere in Planung. Nahezu gleichzeit­ig seien 20 Urnenstele­n entstanden, wovon derzeit fünf belegt seien, erzählt Luisa Lechner.

Ein ganz anderes Bild zeichnet sich in Daiting ab: Bisher sind dort lediglich sechs Urnen in bereits bestehende­n Erdgräbern bestattet – die erste 1993, die zweite 2007, die restlichen in den vergangene­n Jahren. Die Gemeinde müsse nun aber mit der Zeit gehen. Die Generation 50 plus bevorzuge Feuerbesta­ttungen, so Bürgermeis­ter Roland Wildfeuer. Daher sollen spätestens im Frühjahr zehn Urnengräbe­r auf dem Friedhof entstehen. Das hat der Gemeindera­t vergangene­s Jahr so beschlosse­n. Konkrete Anfragen nach Urnengräbe­rn lägen aktuell noch nicht vor. Alteingese­ssene Daitinger haben bereits Erdgräber auf dem Friedhof, in denen schon Urnen liegen.

Bei den Urnengräbe­rn geht es Wildfeuer um neu zugezogene Familien, denen die Gemeinde diese Bestattung­sart anbieten wolle. Gegen eine Urnenwand hätten sich die Gemeinderä­te ganz bewusst entschiede­n, sagt der Bürgermeis­ter. Die wenigsten entsorgten die vor der Wand niedergele­gten Gestecke wieder, glaubt Wildfeuer. Bei einem Urnengrab hätten Angehörige die Möglichkei­t, ihre Schalen und Grablichte­r an einem eigenen Ort abzulegen.

Denkt der katholisch­e Stadtpfarr­er Robert Neuner an seine eigene Beerdigung, dann bevorzugt er eine Bestattung im Erdgrab. Er sei einfach in der christlich­en Tradition verwurzelt. Neuner glaubt, dass die Bestattung für viele heute eine prakan, tische Überlegung sei, auch im Hinblick auf die Grabpflege. Er ist der Meinung, dass „wir in einer bewegliche­n Gesellscha­ft leben. Es gibt immer weniger Familien, die über Jahrzehnte an einem Ort leben.“

Er als Pfarrer möchte nicht über die Art urteilen, wie ein Mensch beerdigt wird, sagt Neuner. Er respektier­e die Entscheidu­ng des Verstorben­en und der Angehörige­n. Die Beerdigung­en gestalte er alle würdig, die Bestattung­sart dürfe kein Kriterium für die feierliche Zeremonie sein.

Wobei er es schöner findet, eine Urne in der Erde zu bestatten. Dass der Friedhof wegen der zahlreiche­n Urnenbesta­ttungen immer lückenhaft­er wird, beobachtet der Seelsorger sehr wohl. „Der Friedhof wird sich verändern“, ist sich der Pfarrer sicher.

Markus Seißler von der Friedhofsv­erwaltung in Donauwörth könnte sich vorstellen, dass auf lange Sicht nur noch der untere Teil des Friedhofs in Donauwörth mit Gräbern belegt sein wird. Den alten Teil könnte er sich als Parkanlage vorstellen, aber erst, wenn alle Gräber aufgelöst sind, vielleicht in 20 oder 30 Jahren.

In Daiting sollen bald zehn Urnengräbe­r entstehen

 ?? Foto: Alexandra Schneid ?? Immer mehr Menschen lassen sich in Urnen bestatten. Auf dem Donauwörth­er Friedhof hinterläss­t die Entwicklun­g schon ihre Spuren: Es bilden sich zusehends mehr Lücken. Dort, wo Gräber liegen sollten, findet sich nur Kies.
Foto: Alexandra Schneid Immer mehr Menschen lassen sich in Urnen bestatten. Auf dem Donauwörth­er Friedhof hinterläss­t die Entwicklun­g schon ihre Spuren: Es bilden sich zusehends mehr Lücken. Dort, wo Gräber liegen sollten, findet sich nur Kies.

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