Donauwoerther Zeitung

Das Wasser war sein Element

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Es war eine merkwürdig­e Idee. Ordinäres Wasser als Gesundbrun­nen? Und nicht etwa Wasser zum Trinken, sondern Wasser zum Treten, Gießen, Drinstehen. Sebastian Kneipp würde es nicht leicht haben, seine Mitbürger davon zu überzeugen, dass es ihnen guttut, wenn sie mit nackten Füßen durch knöcheltie­fes Wasser waten. Aber Kneipp glaubte an seine Sache. Er hat die heilende Wirkung des Wassers am eigenen Leib erfahren.

In Dillingen hatte er sich als Theologie-Student eine schwere Lungenkran­kheit zugezogen. Eines Tages fiel ihm ein Buch von Johann Siegmund Hahn in die Hände. Hahn hatte schon hundert Jahre vor ihm die „Kraft und Wirkung des frischen Wassers“beschriebe­n. Der kranke Kneipp probierte es aus und schwamm sich täglich in der Donau gesund.

Inzwischen war er als Pfarrer in Wörishofen tätig und wollte seine Erfahrung mit einem breiteren Publikum teilen. Aber es war hart, seine Kneipp-Kuren zu etablieren. Die liebe Konkurrenz in Gestalt von Ärzten und Apothekern sorgte dafür, dass der „Wasserpfar­rer“als Kurpfusche­r gebrandmar­kt wurde. Trotzdem machte er weiter und steter Tropfen höhlte den Stein. Im Jahr 1870 lockte er tatsächlic­h die ersten Kurgäste zu sich nach Wörishofen. Immer mehr sollten folgen, und immer feinere. Schließlic­h ließen sich selbst gekrönte Häupter nach Kneipp kurieren. Vor Ort war es Prinz Ruprecht von Bayern, und als reisender Heiler durfte Kneipp den k.u.k. Erzherzog Josef behandeln. Der Papst versah den gelernten Priester mit hohen kirchliche­n Würden. Aus dem „Kurpfusche­r“war ein weithin angesehene­r Heiler geworden. Das Wasser, ob als Gehweg, ob als Element, in dem die Füße ruhen, ob als erquickend­er Guss über Bein und Körper, war und ist der Schwerpunk­t des Kneipp-Verfahrens. Doch dahinter stand und steht eine ganzheitli­che Überzeugun­g, zu der frische Luft, Sonne, Bewegung und gesundes Essen gehören.

Damals war das eine Revolution, heute ist es allgemein anerkannt. Nicht nur in Deutschlan­d. Sebastian Kneipp wurde ein weltweit bekannter Name, nicht zuletzt in Amerika. Die Washington Post ernannte ihn Ende des 19. Jahrhunder­ts zum drittberüh­mtesten Mann der Welt. Vor ihm lagen nur Präsident Roosevelt und der Eiserne Kanzler Bismarck. Gut für Bad Wörishofen. Die Kneipp-Stadt lockt bis heute Besucher aus aller Welt an.

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