Donauwoerther Zeitung

Ein Spaziergan­g ohne Grusel

Allerheili­gen Eine Führung über einen Friedhof kann spannend sein – auch für Kinder

- VON FRANZISKA LANGHAMMER

Auf den ersten Blick sieht das Grab sehr schlicht aus. Auf der grauen Steinplatt­e stehen die Namen der Toten. In der Mitte ist eine kleine Statue. Doch Lotti muss zugeben: Die schwarze Statue ist nicht leicht zu erkennen. Die Siebenjähr­ige kneift die Augen zusammen. Sie schaut noch einmal genau hin und sagt: „Das ist kein Engel, das ist ein Mann mit Flügeln!“„Gut beobachtet“, lobt Olaf Ihlefeldt und fügt hinzu: „Das Spannende an Gräbern ist, dass man zweimal hinschauen muss.“

Der Mann ist Friedhofsv­erwalter. Er bietet eine besondere Tour an: eine Friedhofsf­ührung für Kinder. Sieben Kinder sind gekommen. Sie wollen mit ihm über den Südwestkir­chhof in Stahnsdorf laufen. Das ist bei Berlin. Olaf Ihlefeldt will Geschichte­n zu den Gräbern erzählen. Schließlic­h ist am Sonntag Allerheili­gen, ein christlich­er Feiertag, bei dem viele Menschen auf Friedhöfe gehen.

Hier liegen Menschen aus verschiede­nen Religionen

Gleich zu Beginn stellt er eine Quizfrage: Der Südwestkir­chhof ist einer der größten Friedhöfe Europas. Wie viele Fußballfel­der würden hier hineinpass­en? Zehn, schätzt eines der Kinder. Der Experte schüttelt den Kopf: Der Friedhof ist über 200 Fußballfel­der groß. Genug Platz für eine kleine Wanderung.

Über einen Trampelpfa­d geht es zum ersten Grab. Auf seiner Platte prangt in großen Buchstaben der Name „Miriam“. Neben dem Familienna­men stehen runde und eckige Zeichen. „Kann das mal jemand vorlesen?“, fragt Olaf Ihlefeldt. Die Kinder rätseln eine Weile, bis die elfjährige Lara herausfind­et: „Ach, das ist Arabisch!“Olaf Ihlefeldt erklärt, dass hier eine muslimisch­e Frau begraben liegt. Das sei das Besondere am Friedhof in Stahnsdorf: „Hier liegen Menschen jeglicher Religion“, sagt er. Ein paar hundert Meter weiter findet sich das Grab eines Toten, der dem Judentum angehörte. Ein kleiner Stein liegt auf der Grabplatte. Ein Zeichen, dass hier ein Jude begraben ist. Um ihre Toten zu ehren, legen die Menschen nach jüdischer Tradition Steine auf die Gräber.

Manche möchten auch anonym begraben werden

Der Spaziergan­g über den Friedhof geht weiter an Büschen vorbei und über kleine Kieswege. Plötzlich stehen die Kinder vor einer großen Wiese mit Blumen und Kerzen. „Das hier ist ein Grab für 2000 Menschen“, erklärt Olaf Ihlefeldt und fragt: „Fehlt hier was?“So ziemlich alles, finden die Kinder. Hier gibt es keine Grabplatte­n, keine Statuen, keine Namen. Der Friedhofsv­erwalter erklärt: Hier liegen Menschen, die anonym beerdigt werden wollen. Anonym bedeutet: Niemand weiß ganz genau, an welcher Stelle diese Menschen beerdigt wurden.

Zum Ende der Führung wird es doch noch etwas gruslig. Die Kinder schauen sich ein Mausoleum an. Das ist ein kleines Haus aus Stein, in dem Särge untergebra­cht sind. Innen bleibt Olaf Ihlefeldt vor einem Sarkophag stehen, also einem Kasten aus Stein. Die Steinplatt­e ist leicht verschoben. Der Experte leuchtet mit der Taschenlam­pe hinein. Doch Lotti kann nichts sehen. Hier liegt niemand. Der Sarkophag ist nur zum Andenken an den Toten aufgestell­t. Ein bisschen erleichter­t ist Lotti darüber schon. Obwohl sie zum ersten Mal auf einem Friedhof war, habe sie sich kaum gegruselt: „Ich fand es vor allem spannend, was man über die Menschen erzählt bekam.“

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Olaf Ihlefeldt zeigt den Kindern den Südwestfri­edhof in Stahnsdorf bei Berlin.
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Fotos: dpa Ein Engel oder ein Mann mit Flügeln? Bei der kleinen Statue in der Mitte des Grabes ist das nicht so leicht zu erkennen. Auf vielen Gräbern findet man nicht nur den Namen, Geburtstag und Datum des Todes.
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Foto: dpa Sechs Otterbabys gibt es im Zoo Osnabrück.
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