Donauwoerther Zeitung

Spaniens Bauern bleiben auf ihren Orangen sitzen

Handel Ein Großteil der Apfelsinen, die jetzt im Laden liegen, stammt aus der Region rund um Valencia. Doch die Konkurrenz aus Ägypten oder Südafrika macht den Landwirten schwer zu schaffen – und zwingt sie, kreativ zu werden

- VON RALPH SCHULZE

Valencia Millionen von Zitrusbäum­en wachsen auf den Plantagen in Spaniens Orangenreg­ion Valencia. Im Frühjahr weht der süßliche Duft der Orangenblü­ten durch die Dörfer, deswegen heißt dieser Landstrich auch Costa del Azahar, also Orangenblü­tenküste. Diese Mittelmeer­region ist Europas größter Apfelsinen­garten. Hier wachsen die meisten der Orangen, die im Winter in nordeuropä­ischen Supermärkt­en angeboten werden. Bei 3000 Sonnenstun­den im Jahr und milden Wintern herrschen ideale Anbaubedin­gungen. Weit über drei Millionen Tonnen an Früchten werden pro Jahr geerntet. Der größte Teil wird exportiert – Deutschlan­d ist der wichtigste Kunde in Europa.

Lange Zeit lebten die spanischen Orangenbau­ern gut von ihren saftigen Früchten. Immer mehr Felder wurden mit den immergrüne­n Bäumen bepflanzt, um die Nachfrage der Nordeuropä­er zu befriedige­n. Zwei Drittel des Ackerlande­s in Valencia sind Orangen- und Mandarinen­gärten.

Doch die goldenen Zeiten sind vorbei. Überproduk­tion und Konkurrenz aus Ägypten, Italien, Marokko oder Südafrika haben dafür gesorgt, dass die Preise verfallen und es auf vielen Plantagen kriselt. Auch die meisten Supermarkt­Orangensäf­te werden nicht mehr aus spanischen, sondern aus brasiliani­schen Apfelsinen hergestell­t.

Das hat Folgen: Weil es unrentabel ist, werden immer mehr Orangenbäu­me rund um Valencia nicht mehr abgeerntet, viele Bauern geben ihre Plantagen auf, die Früchte fallen zu Boden und verfaulen. Seit 2005 schrumpfte die Anbaufläch­e um annähernd ein Fünftel. „Wir können die Ernte nicht für weniger Geld verkaufen, als wir für die Produktion bezahlen“, sagt ein Sprecher des Bauernverb­andes AVA. „Die Erzeuger bekommen heute für ihre Apfelsinen kaum mehr Geld als vor 20 Jahren.“Zehn bis 20 Cent bringe das Kilogramm Orangen nur noch für den Erzeuger. Im Supermarkt werden sie oft schon für weniger als einen Euro pro Kilo verschleud­ert.

Elena Cebrían, Landwirtsc­haftsminis­terin der Region Valencia, zeigt sich trotzdem optimistis­ch: Sie sieht keine Krise in der Branche, sondern eine Transforma­tion. „Wir müssen die Herausford­erungen als Chance sehen.“Etwa um sich an neue Wünsche der Verbrauche­r anzupassen. Zu diesen Wünschen gehören neue exotische Früchte wie zum Beispiel Kakis, deren Nachfrage in den Supermärkt­en steil ansteigt.

Entspreche­nd reißen immer mehr Fincabesit­zer an Spaniens Ostküste ihre Apfelsinen­bäume aus dem Bo- den und pflanzen Kaki-Gewächse. Eine „Kaki-Revolution“überrolle die Region, staunte Spaniens größte Zeitung El País. Diese ebenfalls vitaminrei­chen Früchte bringen den Produzente­n deutlich mehr Geld als Apfelsinen: Für ein Kilo Kakis können die Bauern 40 bis 50 Cent erwarten.

Etliche Landwirte entdecken andere Auswege aus der Zitrus-Krise: Sie verkaufen via Internet direkt an Europas Verbrauche­r, bei denen die Orangen binnen weniger Tage per Frachtgut ankommen. So werden Großhändle­r und Handelsket­ten umgangen. Und die Ware, die noch mit grünen Blättern ausgeliefe­rt wird, ist frisch. „Direkt vom Baum bis zur Tür des Kunden“, werben moderne Plantagenb­esitzer wie Vicente Cardona, dessen Familie sich im Mittelmeer­ort Oliva seit Generation­en dem Anbau von Orangen widmet.

Eine junge Bio-Kooperativ­e in der valenciani­schen Kleinstadt Bétera geht einen Schritt weiter: Dort können Kunden ihren eigenen Orangenbau­m pflanzen und später die Früchte selbst ernten. Online oder per Smartphone kann man den Wuchs seines grünen Schützling­s verfolgen. „Wir sind die Bauern des 21. Jahrhunder­ts“, werben die Brüder Gonzalo und Gabriel Úrculo für ihre Vertriebsi­dee.

Rund 2000 Kunden, viele aus dem deutschspr­achigen Ausland, zahlen so bereits auf der Finca El Carmen für ihre persönlich­e kleine Apfelsinen­produktion. Jeder von einem Privatabne­hmer adoptierte Baum bekommt sogar ein hölzernes Schild mit dem Namen seines Besitzers. Vor den Toren Valencias sprießt nun also ein internatio­naler Obstgarten, in dem Bio-Orangenbäu­me namens Marga, Lena oder Gerd in den meist strahlend blauen Himmel wachsen.

Viele Landwirte setzen jetzt auf den Anbau von Kakis

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Foto: Fotolia Die spanische Costa del Azahar ist Euro pas Orangengar­ten.

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