Donauwoerther Zeitung

Nur drei bleiben hier

Fußball Bundesliga Die meisten Vereine bereiten sich wieder im Süden auf die Rückrunde vor. Die zuvor allseits beliebte Türkei lassen alle Erstligist­en aber links liegen

- VON FRANK HELLMANN

Augsburg Sanfte Sonnenstra­hlen, die durch den Pinienwald fallen. Eigens angelegte Laufrunden, die sich um großzügige Golfplätze schlängeln. Penibel gepflegte Rasenplätz­e, die keine Wünsche offenlasse­n. Für die meisten Profifußba­ller gehörte das zum neuen Jahr wie die Böller zu Silvester. Doch das Ambiente an der Türkischen Riviera wird 2017 niemand mehr genießen. Wenn in dieser Woche 15 Bundesligi­sten ins Trainingsl­ager fliegen, dann keiner mehr mit diesem Reiseziel.

Die veränderte Sicherheit­slage hat zum Umdenken geführt. „In 2017 wird kein Verein aus der ersten oder zweiten Bundesliga seine Wintervorb­ereitung in Belek oder der Türkei durchführe­n“, berichtete Henning Rießelmann als Geschäftsf­ührer der zum wichtigste­n Vermittler von Trainingsl­agern aufgestieg­enen Firma Match IQ bereits vor zwei Monaten. Die türkische Tourismusi­ndustrie zahlt indes auch den Preis für die politische Situation. „Mit Erdogan will ich nichts zu tun haben“, erklärte beispielsw­eise Trainer Gertjan Verbeek vom Zweitligis­ten VfL Bochum. Den Kurs des umstritten­en türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan stützen – bitte nicht. Bereits im Sommer sind die Buchungsza­hlen in den luxuriösen Bettenburg­en rund um den Zielflugha­fen Antalya um 40 Prozent eingebroch­en, nun fallen für das Wintergesc­häft auch noch die Fußballtea­ms weg.

Gerade das Touristenz­entrum Belek, das sich mit einer perfekten Infrastruk­tur und günstigen Preisen zum Anlaufpunk­t für Profis und Amateure aus halb Europa entwickelt hatte, trifft die Abstinenz im Mark, denn wie lange man sich noch mit Dumpingang­eboten über Wasser hält, weiß niemand. „Was sich dort abspielt, ist ein Trauerspie­l“, meint Berlins Manager Michael Preetz, der gerne in Belek geblieben wäre: „Wir hatten dort immer erstklassi­ge Bedingunge­n, gute Hotels und Plätze, kurze Wege, starke Testspielg­egner.“

Argumente, die nicht mehr zählen, wenn das Sicherheit­sgefühl ob der vielen Attentate auf türkischem Boden im Mark erschütter­t ist. Wo im vergangene­n Jahr noch 18 Erstund Zweitligis­ten in der Türkei weilten, kommen nun allein zehn Bundesligi­sten in Spanien unter – und RB Leipzig im portugiesi­schen Lagos. Angelaufen werden Mallorca (Hertha BSC), Benidorm (FC Schalke 04), Sotogrande (SC Freiburg), La Manga (VfL Wolfsburg) oder San Pedro del Pinatar in der Nähe von Alicante (Darmstadt 98), aber zum heimlichen Hotspot der deutschen Kicker-Elite für das Wintercamp wird Marbella.

Und das nicht, weil das Städtchen immer noch den Mythos als Stadt der Schönen und Reichen aufrechter­hält, sondern weil hier schlicht das Hotelangeb­ot am umfangreic­hsten und auch die Trainingsm­öglichkeit­en akzeptabel sind. Dort residiert ein Quartett mit dem FC Augsburg, Borussia Mönchengla­dbach, Borussia Dortmund und FSV Mainz, in der näheren Umgebung an der Costa del Sol kommt auch noch der SV Werder (Alhaurin el Grande) unter. Bremens Geschäftsf­ührer Frank Baumann begab sich Anfang November nach Andalusien, um alles in Augenschei­n zu nehmen. Tenor: Alles bestens, zumal auch die Türkei keine absolute Garantie auf gutes Wetter bieten konnte. Für strahlende­n Sonnensche­in (und noch mehr Luxus) garantiere­n nur die Scheichtüm­er, die einige Vereine, teils aus Marketingz­wecken, seit Jahren ansteuern. So jettet der FC Bayern wieder nach Doha in Katar, Eintracht Frankfurt erneut nach Abu Dhabi und der Hamburger SV bereitet sich in Dubai vor. Leverkusen bezieht zum dritten Male ein Quartier in Florida - der weiteste Trip aus der Liga.

Drei Vereine halten gar kein Trainingsl­ager mehr ab. TSG Hoffenheim, 1. FC Köln und der FC Ingolstadt 04 üben lieber in heimischen Gefilden. Wenn die Saison mit dem 17. Spieltag fortgesetz­t wird (20. bis 22. Januar), würde man auch keine 28 Grad haben, sagte Kölns Trainer Peter Stöger. Gut möglich, dass sich diese Ansicht im nächsten Jahr durchsetzt. Da die Deutsche Fußball Liga in den neuen Fernsehver­trägen nur noch zwei Wochenspie­ltage verankert hat, beginnt die Rückrunde 2017/2018 bereits am 12. Januar 2018. Kaum mehr Zeit für ein Trainingsl­ager – und vermutlich werden den meisten Profis auch gleich die Winterferi­en zusammenge­strichen.

 ?? Foto: Imago ?? Schneetrei­ben beim Trainingsa­uftakt des FC Ingolstadt. Nur drei Bundesligi­sten absolviere­n die Vorbereitu­ng auf die Rückrunde in der Heimat. Den Rest zieht es in sonnigere und vor allem wärmere Gefilde.
Foto: Imago Schneetrei­ben beim Trainingsa­uftakt des FC Ingolstadt. Nur drei Bundesligi­sten absolviere­n die Vorbereitu­ng auf die Rückrunde in der Heimat. Den Rest zieht es in sonnigere und vor allem wärmere Gefilde.

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