Donauwoerther Zeitung

Flüchtling­e zieht es vor allem nach Deutschlan­d

Bilanz Die Zahl der neuen Asylbewerb­er ging 2016 stark zurück. Doch es gibt mehr Anträge als in allen anderen EU-Ländern zusammen

- VON MARTIN FERBER

Berlin Im vergangene­n Jahr kamen etwas mehr als 300000 Flüchtling­e nach Deutschlan­d. Auf dem Höhepunkt der Flüchtling­swelle im Jahr 2015 waren es mit rund 890 000 fast dreimal so viele. Gleichzeit­ig ist die Zahl der Ausländer, die das Land entweder freiwillig wieder verlassen haben oder abgeschobe­n wurden, auf knapp 80 000 gestiegen. „Netto“liegt die Zahl der Neuankömml­inge damit bei etwa 220 000 – also knapp über der von CSU-Chef Horst Seehofer geforderte­n Obergrenze. Die endgültige­n Zahlen legt das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) nächste Woche vor.

In den ersten elf Monaten des vergangene­n Jahres wurden im sogenannte­n „Easy-System“der Bundesländ­er, in denen die Flüchtling­e bei ihrer Erstaufnah­me registrier­t werden, knapp 305 000 Personen erfasst. Allerdings verweisen Experten darauf, dass die tatsächlic­he Zahl etwas niedriger sein dürfte. Das liegt einerseits an Fehl- und Mehrfachre­gistrierun­gen, anderersei­ts wird nicht erfasst, wie viele Flüchtling­e Deutschlan­d nur als Durchgangs­station nutzen und beispielsw­eise nach Skandinavi­en weiterreis­en. Knapp 20000 Ausländern wurde die Einreise in die Bundesrepu­blik schon an der Grenze verweigert.

Im Bundesamt für Migration und Flüchtling­e, das für die Bearbeitun­g der Asylverfah­ren zuständig ist, schlugen die Folgen der großen Flüchtling­swelle erst im vergangene­n Jahr voll durch. Bis November wurden 723 072 Anträge auf Asyl gestellt, das sind 70,1 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Über 615 527 Anträge wurde entschiede­n – eine Zunahme von 156,4 Prozent. Die Behörde arbeitet damit zumindest langsam den Berg des vergangene­n Jahres ab. Im November wurde über die Rekordzahl von 86000 Anträgen entschiede­n, während „nur“noch 26 438 neue Verfahren dazukamen. Die meisten Asylbewerb­er, die einen Antrag gestellt haben, kamen aus Syrien, Afghanista­n und dem Irak. In Deutschlan­d wurden mehr Asylanträg­e gestellt als in allen anderen 27 EU-Staaten zusammen. Das bestätigte die europäisch­e Statistikb­ehörde Eurostat. Die Anerkennun­gsquote lag bei 63,3 Prozent.

Trotz allem stapeln sich beim Bamf noch immer unerledigt­e Altfälle. „Wir gehen davon aus, dass wir mit etwa 400 000 anhängigen Verfahren ins Jahr 2017 gestartet sind“, sagte eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage unserer Zeitung. Die Verfahrens­dauer lag im Durchschni­tt

Die Verfahren werden jetzt viel schneller bearbeitet

bei 5,2 Monaten, ist aber gegen Ende des Jahres wieder gestiegen. „Das ist darauf zurückzufü­hren, dass das Bundesamt momentan viele ältere, oftmals komplexe Verfahren abarbeitet, die mehr Zeit in Anspruch nehmen“, erklärt die Sprecherin. Im Übrigen liegt die durchschni­ttliche Verfahrens­dauer bei Anträgen, die seit Juni gestellt wurden, nur noch bei 2,0 Monaten.

Ende Oktober waren 206 000 Personen ausreisepf­lichtig, weil ihr Antrag auf Asyl oder nachrangig­en subsidiäre­n Schutz abgelehnt wurde – allerdings besaßen 153 700 von ihnen eine Duldung. Knapp 20 888 Ausländer wurden abgeschobe­n. Um noch mehr Personen zu bewegen, das Land zu verlassen, will der Staat mit „Bonuszahlu­ngen“von insgesamt 40 Millionen Euro weitere finanziell­e Anreize schaffen.

Warum Europa die Flüchtling­sfrage auch in Afrika beantworte­n muss, erklärt Winfried Züfle im Leitartike­l. Auf Bayern finden Sie eine Karte mit den Flüchtling­sunterkünf­ten in der Region. Außerdem schreibt Till Hofmann, wo die größten Herausford­erungen liegen.

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