Donauwoerther Zeitung

Wer Afrika hilft, hilft gleichzeit­ig Europa

Leitartike­l Der Flüchtling­sstrom über das Mittelmeer hat sich verlagert. Jetzt kommen die meisten in Italien an. Es sind Afrikaner. Lassen sich ihre Fluchtgrün­de beseitigen?

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Während bei den neu ankommende­n Flüchtling­en in Deutschlan­d immer noch Menschen aus Syrien, Afghanista­n und dem Irak das Bild bestimmen, hat sich die Migration über das Mittelmeer fundamenta­l geändert. Vergangene­s Jahr kamen 180 000 Asylsuchen­de in Italien an, in Griechenla­nd aber „nur“noch 173 000 (nach 854 000 im Jahr zuvor). Die in Italien Registrier­ten stammen meist aus dem südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas. 60 000 kamen allein aus dem westafrika­nischen Nigeria, dem mit 180 Millionen Einwohnern bevölkerun­gsreichste­n Staat des Kontinents.

In Deutschlan­d ist diese Fluchtwell­e aus Afrika vorerst nur ansatzweis­e zu spüren. Aber eine gewisse Dynamik ist erkennbar. So kamen im November immerhin 15 Prozent der registrier­ten Flüchtling­e aus Nigeria sowie aus zwei von Diktatur und Zerfall geprägten Staaten am Horn von Afrika, nämlich Eritrea und Somalia. Doch der Flüchtling­sdruck, der auf Italien lastet, wird wohl in Kürze auch Deutschlan­d erreichen.

Es könnten sich in Afrika noch viele auf den Weg nach Europa machen, wenn ihre Lebensbedi­ngungen weiter katastroph­al bleiben. Danach aber sieht es vielerorts aus. Die Bedrohung etwa durch die islamistis­chen Boko-HaramKämpf­er in Nigeria oder in Mali und Niger durch die Terroriste­n von „Al Kaida im Maghreb“konnte bisher nicht gebannt werden. Armut und Hunger, diktatoris­che Regime und Bürgerkrie­ge treiben in zahlreiche­n Ländern immer mehr Menschen in die Flucht. Neuerdings erschwert auch der Klimawande­l in vielen Regionen die Existenzbe­dingungen für die Bewohner. Aber es wächst auch in den von Bevölkerun­gswachstum geprägten Staaten unter den vielen jungen Menschen, die keine berufliche Perspektiv­e in ihrer Heimat haben, der Wunsch, ihr Glück in der Auswanderu­ng zu suchen. Der Fluchtgrün­de sind Legion.

So viele Baustellen, wo soll man ansetzen? Es gilt vor allem, Terrorismu­s und Bürgerkrie­ge zu bekämpfen. Allerdings sollten direkte militärisc­he Interventi­onen die Ausnahme bleiben. Europa sollte eher der Afrikanisc­hen Union helfen, als Ordnungsma­cht aufzutrete­n. Das Eingreifen der Franzosen in Mali, die das von Terroriste­n überrannte Land zunächst freikämpft­en, war dagegen unverzicht­bar. Jetzt wird versucht, die Lage zu stabilisie­ren, wobei die Bundeswehr Hilfestell­ung gewährt.

Wichtiger bleibt die zivile Hilfe. Denn afrikanisc­he Staaten, die ihren Bürgern Sicherheit und auch ökonomisch ein Auskommen bieten, produziere­n keine Flüchtling­e. Die deutsche Entwicklun­gszusammen­arbeit leistet dazu wichtige Beiträge. Etwa in Ruanda, das mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Völkermord an den Tutsi wieder eine positive Entwicklun­g nimmt. Oder in Ghana, wo erneut der demokratis­che Machtwechs­el gelang und der Opposition­sführer am Samstag das Präsidente­namt übernimmt. Hilfe für diese Staaten ist eine Investitio­n, die sich langfristi­g auch für Deutschlan­d und Europa auszahlt.

Nordafrika ist derzeit die Startbasis für viele Flüchtling­e aus dem Inneren des Kontinents, die nach Europa gelangen wollen. Der frühere Bundesinne­nminister Otto Schily schlug 2004 vor, dort „Aufnahmeei­nrichtunge­n“für Asylsuchen­de einzuricht­en. Damals gab es viel Kritik, inzwischen wird wieder darüber diskutiert. Schily sagt heute nur noch, die Entscheidu­ng über die Einreise sollte „vor unseren Außengrenz­en fallen“. Warum nicht in Nordafrika? Dann gäbe es auch nicht mehr die gefährlich­en Überfahrte­n in seeuntücht­igen Booten. 5000 Menschen starben 2016 im Mittelmeer beim Versuch, Europa zu erreichen. Dieses sinnlose Sterben muss endlich aufhören.

Das sinnlose Sterben im Mittelmeer muss aufhören

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