Donauwoerther Zeitung

Vom Fliesenleg­er zum Darts-König Porträt

Michael van Gerwen gewinnt in London zum zweiten Mal den WM-Titel. Der Niederländ­er ist der Superstar der Szene, aber kein Meister der Bescheiden­heit

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Es war einer der besonderen Momente seiner Karriere: Als Michael van Gerwen 2014 erstmals die Darts-WM gewonnen hatte, wurde er vom niederländ­ischen Königspaar, Máxima und Willem Alexander, als jüngster Darts-Weltmeiste­r aller Zeiten zum Lunch in den Soestdijk-Palast eingeladen. Er sei damals furchtbar nervös gewesen, seine Eltern waren mächtig stolz. „Ich glaube, der Empfang hat sie mehr beeindruck­t als mein Erfolg“, hat er danach gesagt.

Jetzt, drei Jahre später, war es der niederländ­ische Ministerpr­äsident Mark Rutte, der seinem Landsmann noch in der Nacht des Triumphes am Telefon zum zweiten WM-Titel gratuliert­e. Van Gerwen hatte gerade in einem atemberaub­enden Finale den schottisch­en Vorjahress­ieger und Doppel-Champion Gary Anderson 7:3 bezwungen und umgerechne­t 410 000 Euro Preisgeld kassiert. Und keiner hat den Titel so verdient wie er. Seit Jahren dominiert der Niederländ­er die DartsSzene, ist der Turnierkön­ig und absolute Superstar. Und dennoch war der zweite WM-Erfolg nach 2014 für den 27-jährigen Profi etwas ganz Besonderes. „Jeder will diesen Pokal haben. Ich bin unheimlich froh, dass ich heute das Richtige zur richtigen Zeit getan habe“, sagte er mit Tränen in den Augen.

Van Gerwen mag nicht der Weltmeiste­r der Herzen sein. Sein überaus selbstbewu­sstes Auftreten, die Sprüche, in denen er keinen Hehl daraus macht, dass er sich für den Allerbeste­n hält – das ist nicht unbedingt die Art, die einem die Sympathien zufliegen lässt. Und er scheut sich auch nicht davor, sich mit den größten Darts-Legenden aller Zeiten zu vergleiche­n. „Phil Taylor ist der Größte, aber ich bin der Beste“, hat er jüngst mit Blick auf den 56-jährigen Rekord-Champion aus England gesagt. „Mighty Mike“, so van Gerwens Spitzname, hat maßgeblich­en Anteil am gigantisch­en DartsBoom. Er selbst spricht von einem „Weltphänom­en“. In seiner Heimat, der niederländ­ischen Provinz Nordtraban­t, verfolgten seine Auftritte hunderte Fans beim Public Viewing. Der Ansturm auf den Londoner Alexandra Palace, das „Ally Pally“, war so groß, dass die Organisato­ren ernsthaft über einen Ausbau der Wettkampfs­tätte für 2018 nachdenken.

Der gelernte Fliesenleg­er aus Boxtel ist inzwischen zum Millionär geworden. Schon seit seiner frühen Jugend wirft van Gerwen mit den Pfeilen, besserte sein Taschengel­d als Schreiber in niederländ­ischen DartsKneip­en auf. Fußballspi­elen hatte der Sohn aus einfachen Verhältnis­sen – sein Vater war Kraftfahre­r, seine Mutter arbeitete in der Kantine einer Metallbauf­irma – schon bald aufgegeben. „Ich war ein grottensch­lechter Abwehrspie­ler“, sagt der Fan des PSV Eindhoven. Beim Darts und seiner Frau Daphne („Ich habe eine wunderbare Familie“) hat er sein Glück gefunden. Jörg Sigmund

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Foto: imago

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