Kämpfte der Attentäter in Syrien für den IS?
Türkei Fahndung nach dem Massaker von Istanbul. Zwei Ausländer am Flughafen festgenommen
Istanbul Der mutmaßliche Attentäter von Istanbul hat Medienberichten zufolge für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien gekämpft. Daher scheine er „sehr professionell in der Handhabung von Feuerwaffen gewesen zu sein“, schrieb die Zeitung Hürriyet unter Berufung auf Ermittler. Zwei Tage nach dem Anschlag auf einen Istanbuler Nachtklub wurden Medienberichten zufolge am größten Flughafen der Stadt zwei Ausländer festgenommen.
Bei dem Anschlag auf den Nachtklub „Reina“waren in der Silvesternacht 39 Menschen getötet und 69 weitere verletzt worden. Zu der Tat bekannte sich der IS. Er bezeichnete den Angriff als Vergeltung für die türkische Militärintervention in Nordsyrien. Wie der allgemein gut informierte konservative Hürriyet-Kolumnist Abdulkadir Selvi schrieb, haben die Behörden den flüchtigen Angreifer inzwischen identifiziert. Er habe Erfahrung im Straßenkampf gehabt und sei für den Angriff „besonders ausgewählt“worden. Die Behörden äußerten sich bisher nicht zur Identität des Attentäters, veröffentlichten inzwischen aber Fahndungsbilder. Auch tauchte ein offensichtlich von ihm selbst aufgenommenes Video auf, das den Angreifer auf dem TaksimPlatz zeigen soll.
Nach Informationen der Zeitung Habertürk benutzte der Attentäter bei dem Angriff auf die Nobeldiskothek am Ufer des Bosporus ein Sturmgewehr vom Typ Kalaschnikow. Er feuerte demnach rund 120 Schuss ab, von denen nur wenige ihr Ziel verfehlten. Den Berichten zufolge soll der Attentäter aus Kirgistan oder Usbekistan stammen und Verbindungen zu der IS-Zelle haben, die den Angriff auf den Istanbuler Atatürk-Flughafen im Juni verübt haben soll, bei dem 47 Menschen getötet wurden. Mehrere der Attentäter damals stammten ebenfalls aus Zentralasien. Laut Habertürk hatte der Mann, der Mitte zwanzig sein soll, im November mit seiner Frau und seinen zwei Kindern zunächst eine Mietwohnung in der zentralanatolischen Stadt Konya bezogen, um „keine Aufmerksamkeit“zu erregen. Seine Ehefrau sei unter den Verdächtigen, die bisher festgenommen wurden.
Mit den beiden Ausländern, die laut der Nachrichtenagentur Dogan am Abflugterminal des AtatürkFlughafens festgenommen wurden, hat sich die Zahl der festgenommenen Verdächtigen auf 16 erhöht. Zur Nationalität der beiden Ausländer machte Dogan keine Angaben.
27 der 39 Opfer des Anschlags waren Ausländer, darunter auch zwei junge Männer aus Deutschland. Die meisten ausländischen Opfer kamen aus arabischen Ländern. Aus Solidarität mit der Türkei wurde das Brandenburger Tor am Montagabend in den Farben der türkischen Flagge angestrahlt.
Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) forderte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem Angriff, um mögliche Versäumnisse der Sicherheitskräfte zu prüfen. Der Kolumnist Semih Idiz stellte in Hürriyet Daily News die Frage, ob die geringen Sicherheitsvorkehrungen am „Reina“nicht auch mit der „kaum verhüllten Abneigung der Regierung gegenüber säkularen Lebensformen“zu tun hätten. Die CHP forderte außerdem Ermittlungen gegen den Leiter der Religionsbehörde Diyanet, Mehmet Görmez, weil in der von seiner Behörde verfassten Freitagspredigt vergangene Woche Silvesterfeiern als unislamisch kritisiert worden waren.
Konservative Türken lehnen seit langem Silvester als kulturfremd ab, zumal ihre säkularen Landsleute zu Silvester teilweise christliche Weihnachtsbräuche übernommen haben.
Unterdessen stimmte das türkische Parlament gestern Abend dem Antrag der Regierung zu, den Ausnahmezustand um weitere drei Monate zu verlängern. Der Ausnahmezustand war nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli verhängt worden und hätte im Januar auslaufen sollen. Nun bleibt er bis zum 19. April bestehen. Die Regierung nutzte ihre erweiterten Vollmachten auch, um gegen ihre Gegner vorzugehen. Ulrich von Schwerin, afp