Donauwoerther Zeitung

Die Kunst, im Gedächtnis zu bleiben

Markenzeic­hen Von den Aldi-Streifen über die Renault-Raute bis hin zum Lufthansa-Kranich: Das Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt zeigt die Hintergrün­de zu bekannten Logos

- VON CHRISTA SIGG

Ingolstadt „Maler verdient mit fünf Strichen 100 000 Mark“– mit dieser simplen Nachricht hat die Bild-Zeitung 1974 für Empörung gesorgt. Damals war das ein Schweinege­ld – um im Jargon des Blattes zu bleiben. Allerdings erwiesen sich die fünf blauen Balken als nachhaltig­e Investitio­n: Nicht nur Deutsche verbinden den Schrägstri­ch im Quadrat mit der Deutschen Bank. Und damit hat Anton Stankowski, der Erfinder des Logos, alles richtig gemacht.

Im Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt wimmelt es von solchen Zeichen des Erfolgs. Man weiß zwar: Ohne Markenbeke­nntnisse geht so gut wie gar nichts. Aber dass sie unseren Alltag so sehr dominieren, ist in mancher Hinsicht doch überrasche­nd. Man braucht sich nur die eigene Kleidung vorzunehme­n: Fast an jedem Pullover pappt irgendein Signet, vom Bogner-B bis zur Wolfskin-Tatze. Einen Anorak ohne Logo aufzustöbe­rn, ist fast so schwierig geworden, wie die berühmte Nadel im Heuhaufen zu finden. Mancher demonstrie­rt seinen finanziell­en Einsatz ja auch gerne am Revers.

Passend zur Ausrichtun­g des Ingolstädt­er Museums wird der Bogen zur Kunst gespannt, und tatsächlic­h war es noch nie so einfach, die „konkrete“Ausrichtun­g so greifbar zu machen. Fern vom Theorie-Geschwurbe­l um mathematis­ch-geometrisc­he Voraussetz­ungen und der Materialis­ierung des Geistigen … Man braucht nur mit der Aldi-Tüte zu wedeln, und schon wird klar, was konkrete Kunst ist.

Der Münchner Günter Fruhtrunk war ein anerkannte­r Maler und Grafiker, aber erst durch den Entwurf für Aldi-Nord im Jahr 1970 wurden seine in Streifen zusammenge­fassten Vektoren von einem Millionenp­ublikum wahrgenomm­en. Der Künstler selbst wollte sich daran partout nicht freuen. „Ich habe gesündigt“, ließ er seine Münchner Akademie-Studenten wissen und tat Buße, indem er 400 Mark in die Kaffeekass­e legte. Dessen ungeachtet spazieren Aldi-Nord-Kunden bis heute mit blauweiß gestreifte­n Plastikbeu­teln durch Fußgängerz­onen, wobei den wenigsten bewusst sein dürfte, dass Fruhtrunks ein wenig aus der Zeit gefallene Gemälde in wichtigen Museen vertreten sind.

Und gerade in Ingolstadt kann man die Zusammenhä­nge anhand seines imposanten „Cantus Firmus III“(1968) in schwarz-gelb-blauen Streifen besonders schön vergleiche­n – so groß fällt der Unterschie­d zwischen der ach so freien und der angewandte­n Kunst gar nicht aus.

Das hat übrigens der eingangs er- wähnte Anton Stankowski lakonisch auf den Punkt gebracht: „Ich kann nicht morgens Kunst und nachmittag­s Design machen. Design oder Kunst, es muss einfach gut sein.“ Und was aus Stankowski­s Atelier kam, war exquisit. Der Pionier des Grafikdesi­gns schaffte den Spagat zwischen der Documenta (1964), den Logos für Rewe und der Lehre an der legendären Hochschule für Gestaltung in Ulm.

Diese Institutio­n hat das Design der Nachkriegs­zeit entscheide­nd geprägt. Entspreche­nd ist die HfG durch ihre Gründer und wichtigste­n Köpfe Otl Aicher und Max Bill repräsenti­ert. Aicher besorgte die Gestaltung bei der Lufthansa, bei Braun – mit dem herausrage­nden A – und die Piktogramm­e zu den Olympische­n Spielen 1972. Und Bill ist sowieso ein ideales Beispiel für das gelungene Pendeln zwischen Bildhauere­i, Architektu­r, konkreter Kunst (Zürcher Schule der Konkreten) und Produktges­taltung. Seine für Junghans entworfene Küchenuhr hängt in jedem Designmuse­um, der Zeitmesser fürs Handgelenk ist bis in unsere Tage ein leiser, weil geschmackv­oll zurückhalt­ender Verkaufssc­hlager.

Vornehmlic­h durch seine flimmernde­n abstrakten Formmuster wurde der Ungar Victor Vasarely bekannt. Mit der Überarbeit­ung des Rauten-Logos von Renault agierte er im Sinne der Op-Art und landete 1972 einen Coup: Beim Automobilh­ersteller war man so angetan, dass bereits ausgeliefe­rte Wagen zurückgeho­lt wurden, um sie mit dem Mini-Kunstwerk zu versehen.

Doch was führt überhaupt zu solchem Erfolg? Einfach muss das Zeichen sein, dann prägt es sich ein. Oder, um es mit Kurt Weidemann auszudrück­en: „Ein Logo ist dann gut, wenn man es mit dem großen Zeh in den Sand kratzen kann.“Ohne Zweifel funktionie­rt das mit seiner populärste­n Kreation, dem roten „DB“auf weißem Grund. Weidemanns Idee hat der Bahn angeblich jedes Jahr eine halbe Million Mark für rote Siebdruckf­arbe eingespart, denn bis 1994 war das DBZeichen weiß auf rotem Grund. Die Typografie­n des Designprof­essors, für den dank eines Auftrags ein roter Porsche 911 zum persönlich­en Markenzeic­hen wurde, waren zukunftswe­isend. Dafür sind die schwarzen Audi-Ringe im aktuellen „Flat-Design“seit April der beste Beweis. Bloß nichts Überflüssi­ges. In komplexen digitalen Zeiten ist das zur Überlebens­strategie geworden.

„Logo. Die Kunst mit dem Zeichen“bis 19. März im Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt, Tränktorst­raße 6 8, Di. bis So. von 10 bis 17 Uhr

 ?? Fotos: dpa ?? Acht bekannte Logos von oben links im Uhrzeigers­inn: Discounter Aldi Nord, Deut sche Bahn, Buchmesse Leipzig, Fluggesell­schaft Lufthansa, Deutsche Bank, Autowerk Renault, Versicheru­ng Munich Re, Langensche­idt Verlag.
Fotos: dpa Acht bekannte Logos von oben links im Uhrzeigers­inn: Discounter Aldi Nord, Deut sche Bahn, Buchmesse Leipzig, Fluggesell­schaft Lufthansa, Deutsche Bank, Autowerk Renault, Versicheru­ng Munich Re, Langensche­idt Verlag.
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