Donauwoerther Zeitung

Wo die Welt eine Scheibe ist

Darts Die WM in London geht mit dem Sieg des Favoriten zu Ende. Für viele Zuschauer lag die Attraktivi­tät der Veranstalt­ung wieder mal in dem, was sich rund um den Wettbewerb abspielt

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London Seine Pressekonf­erenz nach dem großen Sieg musste Michael van Gerwen für ein ganz besonderes Telefonat unterbrech­en. Der niederländ­ische Ministerpr­äsident Mark Rutte wollte seinen Landsmann unbedingt noch in der gleichen Nacht erreichen und wählte so kurz vor Mitternach­t, eine Stunde nach dessen gewonnenem Darts-Finale, die Nummer von Michael van Gerwen. Rund eine Minute plauderten die beiden auf Niederländ­isch, ehe es mit der Pressekonf­erenz weiterging.

Unter anderem kündigte „Mighty Mike“dann an, dass sein zweiter WM-Titel nicht der letzte bleiben sollte: „Trophäen gewinnen ist etwas, was ich liebe. Das möchte ich für den Rest meines Lebens machen.“Der 7:3-Finalsieg über den schottisch­en Vorjahress­ieger Gary Anderson war die Krönung einer unglaublic­hen Erfolgsser­ie von 26 Turniersie­gen in dieser Saison. Nachdem van Gerwen in den vergangene­n beiden Jahren als Top-Favorit gescheiter­t war, war dieser Titel umso wichtiger und emotionale­r für ihn. „Der Kerl ist einfach zu gut“, musste Finalgegne­r Anderson neidlos anerkennen.

Nachdem ein Zuschauer während des Finales auf die Bühne gesprungen war und die Trophäe kurz an sich gerissen hatte, konnte es van Gerwen am späten Montagaben­d gar nicht erwarten, diese nach 2014 wieder in die Höhe zu recken. Wie stolz er war, zeigte er, indem er dem Veranstalt­er die Trophäe beinahe entriss und mehrere Male damit ins Publikum jubelte.

Das Finale war Schluss- und Höhepunkt der ausgelasse­nen DartsWoche­n im Londoner Alexandra Palace gewesen. Das Publikum sorgte in den vergangene­n Wochen für Faschingss­timmung. Das Bier kam in Krügen, die Zuschauer waren als Weihnachts­männer, Superhelde­n oder Donald Trump verkleidet. Der Lärmpegel im „Ally Pally“erinnerte an ein Volksfest. Das angeheiter­te Publikum sang ausdauernd „Stand up if you love the darts“(„Steht auf, wenn ihr Darts liebt“).

Vor etwa 20 Jahren sei das losgegange­n, sagt PDC-Sprecher Dave Allen. „Das hatte wohl auch damit zu tun, dass das Turnier in der Weihnachts­zeit stattfinde­t“, erklärt er. „Die Fans haben daraus eine Feier gemacht. Mit der Zeit ist das immer mehr geworden.“

Allen hat schon viele witzige Situatione­n erlebt. „Ein Typ hat sich mal als Jesus verkleidet. Während einer Werbepause, als alle saßen, stellte er sich auf seinen Stuhl, und das Publikum sang für ihn ,Happy Birthday‘ – ein großartige­r Moment.“

An die beste Verkleidun­g erinnert sich Allen ebenfalls gern. Die hatte seiner Meinung nach eine Gruppe, die vor einem Jahr hier war. „Die kamen als Elemente eines englischen Frühstücks“, lacht Allen. „Ein Typ war ein Würstchen, einer war der Speck, einer die Eier, einer die Bohnen und einer Toast. Dann haben die sich auf den Boden gelegt und gebratenes Frühstück gemacht. Das war super!“

Der „Ally Pally“bietet genug Platz für alle Facetten der WM. „Im Fernsehen sehen die Menschen nur die West Hall, in der das Turnier stattfinde­t“, erklärt Allen. „Aber nebenan gibt es noch die Great Hall, einen riesigen Raum.“Die Hälfte davon war während der WM das „Fandorf“mit Buden und Bars. Denn Bier und Party sind vielen Dart-Fans mindestens so wichtig wie das Sportliche. (AZ, dpa) Auf der Seite 2 finden Sie ein Porträt von Michael van Gerwen.

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