Von wegen kranker Mann
Erinnern Sie sich noch an die Wirtschaftsnachrichten gegen Ende der 1990er-Jahre? Dass in Deutschland überhaupt noch produziert wurde, galt als überkommen. Großbritannien, von wo die Industrie en masse in Länder der Billigproduktion abwanderte, galt mit seinem damals aufblühenden Finanzund Dienstleistungssektor als richtungsweisend, Deutschland als „der kranke Mann“. Glücklicherweise zeigten sich viele nationale Betriebe, vor allem auch in unserer Region, da letztlich konservativer sowie Land und Leuten verbundener. Sie blieben, investierten. Und das erweist sich nun als erfolgreich. Industrielle Produktion sowie ein starker Mittelstand sind stabilitätsfördernd. Auf nur einem Bein steht es sich eben schlecht – das hätte man sich auch vor 20 Jahren denken können. Die hiesigen Betriebe, darunter viele Mittelständler, die mitunter international tätig sind, haben sich meist mit Qualität statt Quantität emporgearbeitet, einige genießen Weltruf. Es hat sich zudem als richtig erwiesen, dass Firmen in wirtschaftlichen Krisenzeiten – wie zuletzt 2008 – mit ihrem Personal eine Zeit lang staatlich gestützt werden. An jene große Flaute denkt mittlerweile im ökonomisch starken Kreis Donau-Ries kaum noch jemand.
Und wer hätte gedacht, dass der Abzug des Kathrein-Werks aus Nördlingen sich derart minimal auf die wirtschaftliche Gesamtbilanz im Landkreis niederschlägt? Freilich: Es zählt jeder Mensch und noch nicht jeder der entlassenen Arbeiter hat wieder eine reguläre Beschäftigung. Laut Angaben der Arbeitsagentur Donauwörth ist das aber zumindest bei der überwiegenden Zahl der Kathreiner der Fall. Und das ist nun wirklich ein Grund zum Aufatmen. Gerade der Bereich Nördlingen schien zuletzt gebeutelt: Außer der KathreinSchließung war hier die Unsicherheit bei Strenesse sowie das Ende von Ankerbräu zu verkraften. Bis dato schlägt sich davon jedoch recht wenig negativ in den Zahlen der Agentur nieder. Das spricht für eine wirtschaftlich breit aufgestellte Region, die längst auch in das benachbarte Württemberg übergreift, das ebenfalls mit stabilen Zahlen aufwartet. Insofern lassen sich punktuelle Krisen in unserer Region vielleicht etwas leichter kompensieren als andernorts.