Eine Zeitreise, die 1967 beginnt
Goldenes Buch (Serie) Die Stadt Rain hat in den vergangenen 50 Jahren zu 76 Anlässen hochrangige Gäste begrüßt. Manche haben nur unterschrieben, manche haben nüchterne Worte hinterlassen, manche aber auch mehr
Rain Es gibt zwei von ihnen. Das eine ist in nugatbraunes Leder gebunden, das andere in tannengrünes. Aber golden? Nein, golden ist keines von beiden. Und trotzdem firmieren die beiden schweren, großformatigen Bände unter dem Namen „Goldenes Buch der Stadt Rain“. Was golden ist, ist ihr Inhalt – golden im Sinne von kostbar. Denn darin festgehalten sind wertvolle Momente. Begegnungen mit auswärtigen Menschen von Rang und Namen, aber auch mit Tillystädtern, die sich verdient gemacht haben. Wer in den schweren Seiten aus Elefantenpapier blättert, wer die mitunter edlen kalligrafischen Einträge von Albert Schneid und Ilse Stegmair studiert, der stößt auf insgesamt 76 spannende Einträge. Und der begibt sich auf eine Zeitreise, die im Jahr 1967 beginnt.
Der erste Eintrag datiert vom 26. Oktober des Jahres ’67. Der damalige bayerische Innenminister Bruno Merk war zu Gast in Rain, als es um den Erweiterungsbau des damaligen Kreiskrankenhauses ging – Rain war noch Teil des Landkreises Neuburg/ Donau. Formlos ist dieser Eintrag, so wie überhaupt die ersten Seiten eher schmucklos gestaltet sind. Doch ohne diese Chronik wäre manches in Vergessenheit geraten.
Wer wüsste heute noch, dass einst ein Botschafter der Volksrepublik China in der kleinen schwäbischen Lechstadt Rain weilte? Und wer erinnert sich, dass Seine Königliche Hoheit Prinz Leopold von Bayern Rain die Ehre gab? Dass der Außenminister der Republik Obervolta die Partnerstadt Rain besucht hat? Von diversen Bischöfen einmal abgesehen, die gekommen waren, um das Sakrament der Firmung zu spenden. Am 18. September 1969 war Bischof Josef Stimpfle zu Gast, am 2. Juli 1993 Bischof Viktor Josef Dammertz, am 28. Juni 2006 Bischof Walter Mixa und am 29. Juni 2011 Bischof Konrad Zdarsa. Überhaupt war die Geistlichkeit in all den Jahrzehnten immer gut vertreten. Neben etlichen seiner Nachfolger sei hier etwa Stadtpfarrer Ludwig Dorn erwähnt, dem am 23. Juni 1974 die Bürgermedaille verliehen wurde. Heute trägt eine Straße im Süden Rains seinen Namen.
Die Mischung sämtlicher Einträge spiegelt die gesamte Bandbreite des Lebens wider. Unter den Rainer Persönlichkeiten, die in die Stadtgeschichte eingegangen sind, findet sich beispielsweise Ehrenbürgerin Babette Müller – auch ihr ist eine Straße gewidmet. Sie verewigte sich am 12. Februar 1991 mit den Worten: „Siehe, voll Hoffnung verkaufst du der Erde den goldenen Samen und erwartest im Lenz fröhlich die keimende Saat.“Ob ihr Spruch auf das ortsansässige Gartenunternehmen gemünzt oder philosophischer Art war und sich auf das Leben bezogen hat? Wer vermag das heute noch zu sagen?
Recht pathetisch drückte sich Karl Heinz Funke anlässlich der Eröffnung der Gärtnersiedlung am 30. März 2000 aus: „Suchet der Stadt Bestes“, schrieb er. „Möge dieses Wort alle geleiten, die in dieser Stadt Verantwortung tragen.“
Eher nüchterne Worte fand hingegen am 22. August 1998 der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber: „Es ist mir eine große Ehre, mich in das Goldene Buch der traditionsreichen Stadt Rain eintragen zu dürfen.“Nur mit Unterschrift verewigte sich am 29. Mai 2009 der jetzt amtierende bayerische Staatschef Horst Seehofer. Und noch ein Landesvater findet sich im Goldenen Buch: Ministerpräsident a. D. Alfons Goppel hinterließ am 29. Oktober 1988 folgende Botschaft: „Geschichte bringt Recht mit Pflicht – für den einzelnen und für uns alle! Dazu Gottes Segen, aufmerksame Bürger und Glück und auch das Wohlwollen des Staates.“
Finanzminister Markus Söder, der am 18. Mai 2009 zu „Natur in Rain“kam, trug sich mit folgendem Gedanken ein: „Unsere gemeinsame Gartenschau wird sicher ein großer Erfolg werden. Mögen die Blumen blühen!“Seine Ministerkollegen Ilse Aigner und Helmut Brunner warfen ebenfalls einen Blick auf die Gartenschau. Aigner wünschte bei dieser Gelegenheit „Alles Gute für eine blühende Zukunft“.
Überhaupt übte die Schau „Natur in Rain“auf einige Prominente Anziehungskraft aus. Die einstigen Skisportler Rosi Mittermaier und Christian Neureuther – heute als Botschafter für Nordic Walking unterwegs – eröffneten am 27. Juni 2009 den AOK-Parcours in der Tillystadt. Die gereimte Botschaft auf ihrer Seite im Goldenen Buch lautet: „Bewegung ist ein hohes Gut, wichtig ist, dass man was tut. Wer ergründet die Natur, ist dem Schöpfer auf der Spur.“
Auch andere Einträge mehr aus dem Bereich Sport lassen sich finden. Als der TSV Rain 1896 in der Saison 2014/15 den Meistertitel in der Bayernliga Süd errang und in die Regionalliga aufstieg, durfte sich die Mannschaft verewigen. Und als der Rainer Löwen-Fanclub im Juni 2001 zehnjähriges Bestehen feierte, gab Karl-Heinz Wildmoser, der Präsident des TSV 1860 München, der Tillystadt die Ehre.
Die königlich privilegierte Schützengesellschaft Rain hatte am 4. Juli 2010 einen besonderen Gast, der ebenfalls um ein Autogramm gebeten wurde. Anlässlich des 400. Gründungsfestes kam Seine Königliche Hoheit Prinz Christoph von Bayern.
Gerhard Martin ist erst der Zweite Bürgermeister, der über Rains Goldenes Buch wacht. Sein Amtsvorgänger Karl Würmseher (dessen Dienstzeit dauerte von 1966 bis 1990) hatte einst diese Tradition begründet. Die Regularien, wer wann gebeten wird, sich in dieses ganz beallzeit sondere Gästebuch einzutragen, stellt der jeweilige Rathauschef auf. Es gibt keine festgezurrten Kriterien, die erfüllt werden müssen. „Entweder kommen hochrangige Persönlichkeiten zu Besuch, oder die Einträge sind auf irgendeine Leistung zurückzuführen, die aus dem Alltag herausragt“, sagt Gerhard Martin.
So geben etwa Ereignisse wie Verleihungen von Bürgermedaillen oder Ehrenbürgerwürde, aber auch große städtische Ereignisse Anlass dazu, das Goldene Buch aus dem Schrank zu holen. „Ein bisschen muss man dabei aus dem Gefühl heraus agieren“, sagt Martin. Für ihn ist es wichtig, dass die Stellung der Persönlichkeiten und die Wertschätzung, die man ihnen entgegenbringt, in einem solchen Eintrag Ausdruck findet. „Es sind immer wieder interessante Persönlichkeiten, die zu uns kommen und die man auf diese Weise ein bisschen näher kennenlernen darf...“