Donauwoerther Zeitung

Twitter platzt in den US Kongress

Wandel Donald Trump gibt einen Vorgeschma­ck auf seinen Politiksti­l. Abgeordnet­e ändern nach einer Kurznachri­cht ihre Meinung, ein Autokonzer­n seine Investitio­nspläne in Mexiko

- VON JENS SCHMITZ

Washington 18,6 Millionen – so viele Menschen folgen Donald Trump auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Noch-Präsident Barack Obama hat 80,4 Millionen. Doch wenn es nach seinem designiert­en Nachfolger geht, wird Twitter künftig zu einer neuen Macht: Trump macht Politik mit Kurznachri­chten. Der Dienstag (Ortszeit) war dafür ein perfektes Beispiel: Nachdem sie via Twitter eine elektronis­che Watsche erhalten hatten, knickten Trumps Parteikoll­egen im Kongress schon an ihrem ersten Arbeitstag ein. Auch die Industrie erhielt einen Vorgeschma­ck auf den künftigen Regierungs­stil. Die Geheimdien­ste keilten zurück: Sie bezeichnet­en einen Tweet ihres künftigen Chefs als feindlich und falsch.

Die Republikan­er hatten auf einen triumphale­n Start gehofft: Im 115. Kongress, der sich am Dienstag konstituie­rt hat, verfügen sie in beiden Kammern über die Mehrheit; im Weißen Haus zieht mit Trump bald ebenfalls ein Republikan­er ein. Doch dessen Agenda deckt sich nicht überall mit der seiner Partei, und seine politische­n Methoden sind in Washington neu: Am Dienstag platzte der impulsive Immobilien­mogul per Tweet in die Feierstimm­ung. Das genügte, um seine Partei zu hektischem Kurswechse­l zu bewegen.

Sie hatte schon seit Montag unter Feuer gestanden: Da kündigten die Konservati­ven überrasche­nd eine Abstimmung an, mit der sie die Unabhängig­keit einer Ethikkommi­ssion abschaffen wollten. Diese untersucht mögliches Fehlverhal­ten von Abgeordnet­en. Demokraten hatten heftig gegen den Plan protestier­t, nicht zuletzt, weil Trump versproche­n hat, vermeintli­che Korruption in Washington zu bekämpfen.

Trumps Helfer taten den Konflikt zunächst ab, doch am Dienstagmo­rgen griff der Chef selbst in die Tasten: „Angesichts all der Arbeit, die vor dem Kongress liegt, müssen sie da wirklich die Schwächung der Ethik-Wächter zu ihrer ersten Handlung und Priorität machen, so unfair die sein mögen?“, twitterte der 70-Jährige.

Der Plan wurde sang- und klanglos beerdigt. „Der Kongress ist nicht daran gewöhnt, dass ein Präsident auf Twitter geht und das macht“, sagte der republikan­ische Abgeordnet­e Lou Barletta dem Magazin Politico.

Doch Trump hatte gerade erst angefangen. Eine Stunde später leitete er eine abgeändert­e Schlagzeil­e des konservati­ven Senders Fox News weiter: „Ford wird mexikanisc­he Produktion­sstätte streichen und in Michigan investiere­n, wegen Trumps Politik.“

Der Autokonzer­n hatte gerade bekannt gegeben, auf eine geplante Fabrik in Mexiko zu verzichten, die 1,6 Milliarden Dollar kosten sollte. Statt dessen will die Firma 700 Millionen Dollar in ihre Flat-Rock-An- lage im Süden Detroits stecken. Sie erhofft sich 700 neue Jobs.

Unter den Gründen für die Entscheidu­ng nannte Ford-Chef Mark Fields in der Pressemitt­eilung auch „die Wachstumsp­olitik, die Präsident Trump und der neugewählt­e Kongress vorgeschla­gen haben“. Doch in einem TV-Interview erklärte er, Trump sei keineswegs der Hauptfakto­r gewesen. Man passe sich der Marktentwi­cklung an. Den nächsten Ford Focus will Fields weiter in Mexiko bauen lassen.

Trump ging darauf nicht ein, sondern verbreitet­e via Twitter eine Schlagzeil­e des konservati­ven Boulevardb­latts New York Post: „Trump liefert jetzt schon die Jobs, die er Amerika versproche­n hat.“

Zudem hatte er eine weitere Fehde angezettel­t. „General Motors sendet in Mexiko produziert­e Chevy Cruze an US-amerikanis­che Autohändle­r – steuerfrei über die Grenze. Stellt sie in den USA her oder zahlt eine hohe Grenzsteue­r!“, hatte er am Morgen gedroht. General Motors betonte umgehend, dass die Limousinen-Version des Modells Cruze im US-Bundesstaa­t Ohio hergestell­t werde. Lediglich die größtentei­ls für den internatio­nalen Markt bestimmte Schrägheck-Variante werde in Mexiko produziert.

Am Abend trat Trump dann noch seinen künftigen Geheimdien­sten auf den Fuß: „Das ,Intelligen­ce‘-Briefing über das sogenannte ,russische Hacking‘ wurde auf Freitag verschoben“, schrieb der kommende US-Präsident. „Vielleicht brauchen sie mehr Zeit, um Beweismate­rial zusammenzu­tragen. Sehr merkwürdig!“

Mit seinen Anführungs­zeichen würdigte Trump nicht nur Regierungs­angaben zu mutmaßlich­en russischen Wahlkampfm­anipulatio­nen herab, sondern auch seine künftigen Mitarbeite­r: Das Wort „Intelligen­ce“bedeutet im Amerikanis­chen sowohl Geheimdien­stinformat­ion wie Intelligen­z. Der Nachrichte­nsender NBC erklärte unter Berufung auf hochrangig­e Mitarbeite­r, Trumps Treffen mit Geheimdien­stdirektor James Clapper und anderen Spitzenkrä­ften sei immer schon für Freitag terminiert gewesen. Die New York Times berichtete ähnlich.

Der Konflikt zwischen den Sicherheit­sdiensten und ihrem künftigen Chef spitzt sich damit zu; NBCQuellen bezeichnet­en Trumps Tweet als „feindlich“. Obwohl alle 16 US-Geheimdien­ste, mehrere private Firmen und auch republikan­ische Kongressan­gehörige russische Cyberattac­ken für erwiesen halten, hat der künftige Präsident sich bislang geweigert, das Thema ernstzuneh­men. Am Silvestera­bend hatte er erklärt: „Ich weiß Dinge, die andere nicht wissen.“Entspreche­nde Enthüllung­en hatte er für Dienstag oder Mittwoch dieser Woche versproche­n, doch bis Redaktions­schluss blieben sie gestern aus.

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Foto: imago Der blaue Vogel ist das Symbol für den Kurz nachrichte­ndienst Twitter.

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