Tohuwabohu in Frankfurt
Tatort: Land in dieser Zeit
ARD, Sonntag, 20.15 Uhr Da stehen die Frankfurter Ermittler fassungslos vor einem verbrannten Friseursalon. Noch bevor sie eine verkohlte Leiche finden, lesen Sie auf dem Gehweg vor dem Geschäft in weißen Buchstaben „Kill All Nazis“.
Die Tote ist die junge Friseurin Melanie. In Verdacht gerät ein afrikanischer Drogenhändler. Man ahnt schon, wie es in „Land in dieser Zeit“weitergeht. Da ist erst der Streit Melanies und ihrer Kollegin Vera (Jasna Fritzi Bauer) mit Dealer John (Warsama Guled). Die Chefin des Friseurladens sagt: „Die haben uns beschimpft, weil wir sie weghaben wollten, aber deshalb sind wir noch keine Nazis.“Die Ermittler Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) wirken ratlos. Die Janneke ist die Liberale, Brix der Sachliche.
Da ist er wieder, der gesellschaftspolitisch relevante „Tatort“. Das soll er auch sein, wobei der Titel „Tatort“inhaltlich keinen Sinn mehr ergibt, aber als Marke ein Pfund ist, mit dem die ARD wuchert. Umso dürftiger fällt der Krimi, der eigentlich keiner ist, aus. Angeblich soll der Zuschauer die deutsche Sprache als Vehikel für Annäherung verstehen. Ein Flüchtling schreibt sich jeden Gegenstand, dessen deutsche Bezeichnung er lernt, auf Zettelchen. Derweil Fosco Carridi (Bruno Cathomas), der neue Chef der Mordkommission, für ratlose Gesichter sorgt, als er Ernst Jandl („eile mit feile“) zitiert. Na ja.
Was soll uns das sagen? Im Mittelpunkt des Tohuwabohu steht Friseurin Vera, die nachbetet, was ihr zwei akademisch geschulte Frauen an rechtspopulistischem Wortgut einflüstern. Überhaupt geht es inhaltlich kreuz und quer. Das Ende ist keines, die meisten Charaktere haben keine Kontur. Die ChaotenVera, die im rechten Liederchor „Kein schöner Land“singt, hat auch „Die Gedanken sind frei“drauf. Und welche Rolle spielt die undurchsichtige jemenitische Flüchtlingsfrau Najla?
Kurz: Nur für „Tatort“-Süchtige geeignet, ein Abend im Konzertsaal, im Kino oder mit einem schönen Buch sind lohnender. Rupert Huber