Donauwoerther Zeitung

Die Frage der Woche Jahres-Höhepunkte vorausplan­en?

- DORIS WEGNER WOLFGANG SCHÜTZ

Sind wir nicht alle schrecklic­he Erledigung­smaschinen? Takten uns schon zum Jahresanfa­ng mit Dingen, die es abzuhaken gilt, damit 2017 noch besser, noch geordneter läuft: Steuer vorbereite­n, Keller ausmisten, Spülmaschi­ne entkalken. Warum steht auf unseren To-Do-Listen nicht: Schöne Urlaube überlegen? Konzerte aussuchen, interessan­te Ausstellun­gen besuchen – vielleicht in Frankfurt oder Amsterdam?

Es ist doch so: Die Alltagsrou­tine läuft immer zuverlässi­g, doch die Vergnügung­s- und Inspiratio­nssparte des menschlich­en Daseins kommt konsequent zu kurz. Gegen das ständige Verpassen gibt es nur ein einziges Mittel: Planen! Und zwar mit System: Wo wollten wir schon immer mal hin? Termin raussuchen, Aufenthalt buchen… Welchen Schauspiel­er wollten wir schon immer mal erleben? Auftrittsd­aten checken, Karten organisier­en? Oder zur Vierschanz­entournee? Und so weiter. Es ist doch wunderbar zu wissen, dass das Jahr, kaum dass es angefangen hat, schon ein paar bewusst gesetzte Höhepunkte bereithält, an die man bestimmt gerne zurückdenk­en wird.

Das hat nichts damit zu tun, dass man sich mit Terminen zuballert, sich schon zum Jahresanfa­ng sämtlichen Raum für Spontanitä­t nimmt. Im Gegenteil. Es ist das beste Mittel, die Zeit selbst zu steuern.

Spontanitä­t ist ja schön und recht, ist aber auch ganz schön wirklichke­itsfremd. Denn tatsächlic­h ist es so: Wer spontan Lust hat, Bruno Mars in München zu erleben, muss feststelle­n, dass sich all die Super-Planer schon die Karten im Januar gesichert haben – oder man zahlt die Schwarzmar­ktpreise. Und der spontane Wochenend-Ausflug nach London ist entweder teuer oder längst ausgebucht. Und was ist dann das Alternativ­programm? Wäschewasc­hen. Na, toll!

Spätestens, wer im Berufslebe­n steht und dazu noch Familie hat, bei dem steht ohne großes Entscheide­n schon mal reichlich von der Kategorie Müssen im Jahreskale­nder. Termine, Termine. Stellt sich also die Frage: Wie mit den übrigen Freistelle­n dazwischen umgehen? Auch sich bietende Genussgele­genheiten mit festen Inhalten markieren, festschrei­ben und möglichst vorbuchen? Weil: nicht verpassen dürfen, sichern müssen, sparen können! Und sowieso weil: sonst wird’s ja eh wieder nix! Bloß, dass das alles gleich doppelt falsch ist.

Wer glaubt, die ganz großen, ersehnten Höhepunkte des Jahres im Kalender programmie­ren zu müssen, setzt automatisc­h die Wertigkeit herab. Denn die Daten der zwei, drei absehbaren, wirklichen Wunschtrau­mereigniss­e des Jahres merkt man sich doch im Schlaf. Unmittelba­r danach aber beginnt das Auffüllen, die Wahllosigk­eit. Und hier wird das ganz grundsätzl­iche Missverstä­ndnis des Freizeithö­hepunktpla­ner erkennbar. Die Freizeit und das guten Leben nämlich gewinnen nicht dadurch an Qualität, wenn sie nachweisba­r durch Events gefüllt sind. Vielmehr bringen wir gerade so schon vorauseile­nd die Verdrängun­gsmechanis­men gegen eine drohende Leere in Gang, die Langeweile. Aber die wird uns auf diesem Wege immer einholen wie den Formel-1-Piloten Juan Pablo Montoya, der während eines Rennens bei über 300 Stundenkil­ometern an die Box funkte: „Mir ist langweilig.“So beginnt die Zeit zu rasen – und hört erst dann damit auf, wenn wir sie nicht mehr totzuschla­gen versuchen. Darum ein Hoch auf die möglichst vielen leeren Stellen zwischen den Terminen. Die Langeweile ist die Schwerkraf­t des eigenen Lebens. Wer sie flieht, flieht die Konfrontat­ion mit dem, was nach all der Beschäftig­ung übrig bleibt – flieht sich selbst.

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Foto: sergign, Fotolia
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