Die Frage der Woche Jahres-Höhepunkte vorausplanen?
Sind wir nicht alle schreckliche Erledigungsmaschinen? Takten uns schon zum Jahresanfang mit Dingen, die es abzuhaken gilt, damit 2017 noch besser, noch geordneter läuft: Steuer vorbereiten, Keller ausmisten, Spülmaschine entkalken. Warum steht auf unseren To-Do-Listen nicht: Schöne Urlaube überlegen? Konzerte aussuchen, interessante Ausstellungen besuchen – vielleicht in Frankfurt oder Amsterdam?
Es ist doch so: Die Alltagsroutine läuft immer zuverlässig, doch die Vergnügungs- und Inspirationssparte des menschlichen Daseins kommt konsequent zu kurz. Gegen das ständige Verpassen gibt es nur ein einziges Mittel: Planen! Und zwar mit System: Wo wollten wir schon immer mal hin? Termin raussuchen, Aufenthalt buchen… Welchen Schauspieler wollten wir schon immer mal erleben? Auftrittsdaten checken, Karten organisieren? Oder zur Vierschanzentournee? Und so weiter. Es ist doch wunderbar zu wissen, dass das Jahr, kaum dass es angefangen hat, schon ein paar bewusst gesetzte Höhepunkte bereithält, an die man bestimmt gerne zurückdenken wird.
Das hat nichts damit zu tun, dass man sich mit Terminen zuballert, sich schon zum Jahresanfang sämtlichen Raum für Spontanität nimmt. Im Gegenteil. Es ist das beste Mittel, die Zeit selbst zu steuern.
Spontanität ist ja schön und recht, ist aber auch ganz schön wirklichkeitsfremd. Denn tatsächlich ist es so: Wer spontan Lust hat, Bruno Mars in München zu erleben, muss feststellen, dass sich all die Super-Planer schon die Karten im Januar gesichert haben – oder man zahlt die Schwarzmarktpreise. Und der spontane Wochenend-Ausflug nach London ist entweder teuer oder längst ausgebucht. Und was ist dann das Alternativprogramm? Wäschewaschen. Na, toll!
Spätestens, wer im Berufsleben steht und dazu noch Familie hat, bei dem steht ohne großes Entscheiden schon mal reichlich von der Kategorie Müssen im Jahreskalender. Termine, Termine. Stellt sich also die Frage: Wie mit den übrigen Freistellen dazwischen umgehen? Auch sich bietende Genussgelegenheiten mit festen Inhalten markieren, festschreiben und möglichst vorbuchen? Weil: nicht verpassen dürfen, sichern müssen, sparen können! Und sowieso weil: sonst wird’s ja eh wieder nix! Bloß, dass das alles gleich doppelt falsch ist.
Wer glaubt, die ganz großen, ersehnten Höhepunkte des Jahres im Kalender programmieren zu müssen, setzt automatisch die Wertigkeit herab. Denn die Daten der zwei, drei absehbaren, wirklichen Wunschtraumereignisse des Jahres merkt man sich doch im Schlaf. Unmittelbar danach aber beginnt das Auffüllen, die Wahllosigkeit. Und hier wird das ganz grundsätzliche Missverständnis des Freizeithöhepunktplaner erkennbar. Die Freizeit und das guten Leben nämlich gewinnen nicht dadurch an Qualität, wenn sie nachweisbar durch Events gefüllt sind. Vielmehr bringen wir gerade so schon vorauseilend die Verdrängungsmechanismen gegen eine drohende Leere in Gang, die Langeweile. Aber die wird uns auf diesem Wege immer einholen wie den Formel-1-Piloten Juan Pablo Montoya, der während eines Rennens bei über 300 Stundenkilometern an die Box funkte: „Mir ist langweilig.“So beginnt die Zeit zu rasen – und hört erst dann damit auf, wenn wir sie nicht mehr totzuschlagen versuchen. Darum ein Hoch auf die möglichst vielen leeren Stellen zwischen den Terminen. Die Langeweile ist die Schwerkraft des eigenen Lebens. Wer sie flieht, flieht die Konfrontation mit dem, was nach all der Beschäftigung übrig bleibt – flieht sich selbst.