Die letzten Tage in Bellevue
Was Daniela Schadt als Bundespräsidenten-Gattin über Deutschland gelernt hat. Und warum sie kein Smartphone hat. Aber: Was macht sie jetzt?
Wie würden Sie in Anlehnung an Angela Merkels berühmten Satz zu den vielen Flüchtlingen in Deutschland die Frage beantworten: Schaffen wir das? Daniela Schadt: Ich habe den Satz immer als Ermutigung verstanden, nie so, als sei das mit links zu schaffen. Vor uns liegt eine große Herausforderung, die wir aber bewältigen können, denn wir haben in der Bundesrepublik schon vieles geschafft.
Also „Ja“? Schadt: Das glaube ich, ja. Es ist aber kein Selbstläufer, sondern eine große Aufgabe.
Bei einem Besuch des Bundespräsidenten im sächsischen Sebnitz im Sommer war die Stimmung geladen, einige Leute haben „Volksverräter“gerufen. Was sagen Sie dazu? Schadt: Schön war das zwar nicht. Akut gefährdet gefühlt haben wir uns aber auch nicht. Was mir eher Sorge macht, ist, dass es offenbar einen neuen Grad von Aggressivität gibt, die sich – befördert durch das Internet – weiter selbst verstärkt.
Ist in unserer Gesellschaft zu viel Galle? Schadt: Jedenfalls muss man den Eindruck gewinnen, dass Hemmschwellen sinken, dass etliche Menschen im Schutz der Anonymität ungehemmt andere beschimpfen, ihrer Wut auf alles Mögliche freien Lauf lassen, völlig egal, was sie damit anrichten. Der digitale Zorn richtet sich ja nicht nur gegen Politiker – Mobbing gibt es in allen Bereichen. Jemand kommt morgens aus der Dusche, schreibt eine Hassmail und fühlt sich dann angeblich besser. Das ist mir fremd und ich akzeptiere es auch nicht.
Lesen Sie Kommentare im Internet? Schadt: Ich mache das ab und zu, aber nicht oft. Nach einer halben Stunde stößt es einen nur noch ab.
Vor fünf Jahren sind Sie als Journalistin First Lady geworden, sind Sie auch Diplomatin geworden? Schadt: Ich weiß nicht, ob ich diplomatischer geworden bin. Aber ich habe gelernt, noch besser und noch intensiver zuzuhören, weil ich nicht schon auf die nächste Frage oder die nächste Antwort hinarbeiten muss wie als Journalistin. Ich muss keinen Artikel über das schreiben, was man mir erzählt, sondern kann mich ganz auf mein Gegenüber einlassen.
Man sieht Sie nie mit Smartphone. Schadt: Ich habe keines. Mein altes Handy funktioniert noch. Das heißt aber nicht, dass ich mir nie ein Smartphone kaufen werde. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht abhängig von diesen nützlichen, aber auch sehr vereinnahmenden Dingern werde.
Welchen Einfluss haben Sie auf den Bundespräsidenten? Schadt: Das wird allgemein überschätzt. Wir sind beide politische Menschen. Wir begegnen beide vielen anderen Menschen und ihren Ideen, Organisationen, Projekten. Darüber unterhalten wir uns – wie man das in einer Partnerschaft so macht. Und wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, überzeugt manchmal er mich, manchmal überzeuge ich ihn und manchmal bleibt eben jeder bei seinem Standpunkt.
Er macht also, was er will? Schadt: Ja, natürlich – Joachim Gauck macht, was er letztlich für richtig befindet, und ich halte es genauso. Ein Bundespräsident holt sich keine Handlungsanweisungen zu Hause ab; und die Partnerin des Bundespräsidenten tut das auch nicht.
Wann haben Sie sich daran gewöhnt, dass Sie beobachtet werden, gerade, was die Garderobe angeht? Schadt: Ich finde es immer wieder erstaunlich, was in der Öffentlichkeit alles eine Rolle spielt. Aber daran gewöhnst du dich. Du lernst, das auszublenden.
Wird auf Frauen anders geguckt? Schadt: Frauen werden sicher noch immer mit anderen Augen angeschaut als Männer. Aber es ist auch nicht mehr so extrem wie noch vor einigen Jahren. So geht die Öffentlichkeit inzwischen selbstverständlicher mit Politikerinnen um als früher. Wenn zum Beispiel die Arbeitsministerin ein neues Rentenkonzept vorstellt, gucken die Leute erst auf das Rentenkonzept und dann vielleicht auf die Garderobe.
Was haben Sie in Ihrer Zeit in Schloss Bellevue über Deutschland gelernt?
Schadt: Es hört sich jetzt so weihnachtlich an, aber es stimmt: Dass es in Deutschland unglaublich viele Menschen gibt, die Verantwortung für andere übernehmen und sich für etwas zuständig fühlen – sei es für den Erhalt der Stadtbücherei, für Flüchtlingshilfe oder für die Betreuung von Sportlern und ihren Angehörigen bei den Special Olympics.
Gibt es Momente, die Sie besonders im Gedächtnis haben?
Schadt: Ich habe in Schwabach ein Frauenhaus besucht. Da traf ich eine junge Frau aus dem Nahen Osten, die völlig verzweifelt war und sagte, ihr Leben sei kaputt, sie habe keine Perspektive. Kurz vor Weihnachten erhielt ich nun einen Brief von ihr und mir schossen die Tränen in die Augen. Sie schrieb: „Das Leben ist schön.“Denn sie hat inzwischen Fahrrad fahren gelernt, einen Deutschkurs gemacht und neues Selbstvertrauen gefunden. Das sind die Begegnungen und Erfahrungen, die wie ein Mittel gegen Mutlosigkeit und Resignation wirken.
Könnten Sie drei Eigenschaften nennen, die man als First Lady braucht?
Schadt: Als Allererstes: Interesse an Menschen. Offenheit und Humor.
Wie war die Begegnung mit der Queen insgesamt?
Schadt: Sehr schön und eher unkompliziert. Ich habe mich sehr gefreut, diese eindrucksvolle Frau zu treffen. Gespräche mit ihr sind lehrreich, anregend, humorvoll. Sie ist eine unglaubliche Persönlichkeit mit einer großen Selbstdisziplin und Intelligenz. Außerdem kann sie Automotoren reparieren!
Was machen Sie nächstes Jahr? Schadt:
Da zitiere ich einen großen deutschen Philosophen, Franz Beckenbauer: Schau’n wir mal. Ich werde auf alle Fälle wieder in die Berufswelt zurückkehren. Ich werde mich einbringen, wo es möglich ist. Als Journalistin hätte ich aber zumindest in der ersten Zeit die gleichen Probleme wie jetzt: Man hielte mich für ein bisschen befangen.
Worauf freuen Sie sich?
Schadt: Ich freue mich auf etwas weniger Öffentlichkeit. Und ich bin neugierig darauf, was passieren wird. Schauen Sie: Vor annähernd fünf Jahren kam etwas ganz Neues. Ich wusste überhaupt nicht, wie das aussehen und sich gestalten würde. Da habe ich mehr Flexibilität gelernt. Jetzt kommt eben wieder etwas Neues.
Bleiben Sie in Berlin?
Schadt: Ja. Und das freut mich.