Donauwoerther Zeitung

Wie sicher ist Deutschlan­d?

Debatte Das Thema könnte die nächsten Wahlen entscheide­n. Sogar die Grünen bemühen sich um ein neues Profil

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Ist Deutschlan­d unsicherer geworden? Viele Menschen haben jedenfalls den Eindruck, dass öffentlich­e Plätze heute gefährlich­er sind als früher. Vor allem Frauen fühlen sich immer öfter unwohl, wie eine aktuelle Umfrage von Emnid zeigt. Kein Zufall also, dass sämtliche Parteien zu Beginn des Wahljahres mit dem Thema Sicherheit punkten wollen. Der Bundesinne­nminister fordert im Kampf gegen den Terror mehr Macht – und bekommt prominente Unterstütz­ung. Die bayerische Regierung beschließt in dieser Woche eine „Charta“, in der sie eine Null-Toleranz-Politik gegen straffälli­ge Flüchtling­e fordert. Und sogar die Grünen wollen jetzt eine Partei der inneren Sicherheit werden.

Seit der Attentäter Anis Amri auf einem Berliner Weihnachts­markt zwölf Menschen ermordete, ist vor allem die Debatte über den Umgang mit sogenannte­n Gefährdern voll entbrannt. Der Tunesier war polizeibek­annt, wurde monatelang observiert und hätte eigentlich längst das Land verlassen müssen. Hat er aber nicht. Und damit ist er kein Einzelfall: Wie das Bundesinne­nministeri­um am Wochenende bestätigte, leben aktuell 62 ausländisc­he islamistis­che Gefährder in Deutschlan­d, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Sie sind damit ausreisepf­lichtig und müssten sofort abgeschobe­n werden. Oft scheitert das allerdings daran, dass sie keine gültigen Papiere haben oder ihre Heimatländ­er sie nicht zurücknehm­en wollen. Im Fall Amri hatten sich die tunesische­n Behörden monatelang gesperrt, die notwendige­n Dokumente auszustell­en.

In solchen Fällen sei eine wesentlich längere Abschiebeh­aft notwendig als bisher üblich, findet nicht nur Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU). Auch Bundesjust­izminister Heiko Maas bezeichnet die bisherige Praxis als „unhaltbar“. Nach den Plänen des SPD-Politikers sollen Gefährder künftig auch dann in Abschiebeh­aft genommen werden, wenn ihre Herkunftss­taaten nicht mit den deutschen Behörden zusammenar­beiten. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière hatte den Sozialdemo­kraten in Sachen innerer Sicherheit zuvor mangelnde Kooperatio­nsbereitsc­haft vorgeworfe­n. Er fordert mehr Kompetenze­n für den Bund. Dafür hat er zwar die Rückendeck­ung der Kanzlerin, aus den Ländern hagelte es allerdings Kritik. Immerhin springt einer seiner Vorgänger dem CDU-Politiker nun zur Seite: Otto

Auch Ex Innenminis­ter Otto Schily mischt sich ein

Schily hält de Maizières Vorstoß für „völlig richtig“. Extremiste­n und Terroriste­n seien bekanntlic­h eine Bedrohung der gesamten verfassung­smäßigen Ordnung des Grundgeset­zes und nicht einzelner Länder, sagte der Sozialdemo­krat in einem Interview.

Die Grünen ringen noch um Antworten auf die wachsende Bedrohung. Nächste Woche präsentier­en sie ihre beiden Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl. Katrin Göring-Eckardt ist bereits gesetzt. Beim letzten Schaulaufe­n für den zweiten Platz unternahme­n die drei Anwärter Anton Hofreiter, Cem Özdemir und Robert Habeck zumindest den Versuch, sich als Fachleute für Sicherheit­spolitik zu profiliere­n. Parteichef­in Simone Peter war nach ihrer Kritik am Polizeiein­satz in der Kölner Silvestern­acht auch intern massiv unter Druck geraten. Im Porträt auf Seite 2 schreibt Rudi Wais über die angeschlag­ene Spitzen-Grüne. Und in der Politik erklärt Bernhard Junginger, wer die CSU als „Mister Sicherheit“in den Bundestags­wahlkampf 2017 führen könnte.

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