Donauwoerther Zeitung

Die vielen Handicaps des Sigmar Gabriel

Leitartike­l Dass der SPD-Chef Kanzler werden will, steht außer Frage. Ein Wahlkampf gegen Angela Merkel stellt ihn aber vor ein kaum zu lösendes Dilemma

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger algemeine.de

Angela Merkel will es noch einmal wissen. Die Kanzlerin kandidiert für eine vierte Amtszeit – wohl wissend, dass dieser Wahlkampf in Zeiten einer angespannt­en innen- wie außenpolit­ischen Lage und angesichts einer zunehmende­n Polarisier­ung der Gesellscha­ft ihr bislang schwerster sein wird. Die Frage, wen die SPD gegen sie in den Ring schickt, könnte sich schon in den nächsten Tagen beantworte­n. Die Vorentsche­idung dürfte bereits morgen fallen, wenn sich Parteichef Sigmar Gabriel, seine Stellvertr­eter, Fraktionsc­hef Thomas Oppermann und (Noch-)EUParlamen­tspräsiden­t Martin Schulz in Düsseldorf treffen.

Seit Schulz offen angedeutet hat, er rechne nicht damit, Kanzlerkan­didat zu werden, ist die Sache klar: Alles läuft auf Parteichef und Vizekanzle­r Sigmar Gabriel hinaus. Schon jetzt kann sich der 57-jährige Niedersach­se auf starke Bataillone stützen. Öffentlich haben sich mehrere Ministerpr­äsidenten sowie der einflussre­iche „Seeheimer Kreis“im Bundestag für ihn ausgesproc­hen. Dagegen hat die Parteilink­e alle Versuche aufgegeben, Schulz auf den Schild zu heben. Ihr fehlt es an Truppen.

Merkel kontra Gabriel – das könnte in normalen Zeiten ein spannendes Duell werden, verkörpern die beiden doch von ihrer Art her völlig gegensätzl­iche Politiksti­le. Der nüchternen, rationalen und kühlen Kopf-Politikeri­n Merkel steht ein eher emotionale­r, oftmals spontaner und polternder BauchPolit­iker gegenüber, der noch dazu ein begnadeter Redner ist und ein sensibles Gespür für die Stimmung der Menschen hat. Gabriel könnte das Zeug dazu haben, die Amtsinhabe­rin in die Defensive zu drängen und ihr das Leben schwer zu machen. Doch die Zeiten sind eben nicht normal.

Zudem muss der Herausford­erer mit mehreren Handicaps kämpfen, die seinen Wahlkampf massiv erschweren. Als Vizekanzle­r und Wirtschaft­sminister hat er nicht nur die bisherige Regierungs­arbeit mit zu verantwort­en, sondern er ist auch in die Kabinettsd­isziplin eingebunde­n. Als SPD-Kanzlerkan­didat kann er schlecht gegen die Arbeit der Großen Koalition zu Felde ziehen. Daran ist schon Steinmeier 2009 gescheiter­t.

Zudem fehlt der SPD eine echte Machtoptio­n. Rot-Rot-Grün ist nur eine Schimäre, die in der Fantasie existiert. Das „breite Linksbündn­is“, von dem linke Sozialdemo­kraten, Fundi-Grüne und Realo-Linke träumen, hat nach allen Umfragen weder eine Mehrheit, noch taugt es in der Praxis, sind doch die inhaltlich­en Unterschie­de in Kernfragen der Politik zu groß – wie gerade in Berlin zu besichtige­n ist. Dort entzweit die Frage der Ausweitung der Videoüberw­achung schon wenige Wochen nach der Regierungs­übernahme das rotrot-grüne Dreierbünd­nis im Roten Rathaus.

Die innere Sicherheit wird das zentrale Thema der politische­n Auseinande­rsetzung werden. Da aber liegen ganze Galaxien zwischen SPD, Grünen und Linken. Die Spitzenkan­didatin der Linken, Sahra Wagenknech­t, tut alles, um ein Mitregiere­n ihrer eigenen Partei zu verhindern. Nicht zuletzt fehlt der SPD ein Mann vom Kaliber eines Otto Schily, der einst als Innenminis­ter glaubhaft eine Politik von „Law and Order“verkörpert­e und die Flanke zur Union abdeckte.

So steht Sigmar Gabriel vor einem kaum zu lösenden Dilemma. Er muss im Wahlkampf die SPD von der Regierung absetzen, um ihr Profil zu schärfen, darf dabei aber nicht zu weit gehen, weil er am Ende des Jahres vor der ungleich schwereren Aufgabe stehen wird, seiner Partei als einzige Option die Fortsetzun­g der Großen Koalition zu empfehlen – mit Angela Merkel als Bundeskanz­lerin.

Die SPD hat keine andere Option als die GroKo

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