Donauwoerther Zeitung

Kitas für Kiebitz Junge

Naturschut­z Das schwäbisch­e Wiesenbrüt­er-Pilotproje­kt zeigt erste Erfolge. Ein Hoffnungss­chimmer. Warum es beim Brachvogel mit dem Nachwuchs nicht klappt

- VON DOROTHEA SCHUSTER

Augsburg Er traute seinen Augen nicht: Auf einer Viehweide im Donauried (Landkreis Dillingen) sah Anton Burnhauser 14 noch nicht flügge Kiebitze aller Altersstuf­en zwischen Jungrinder­n herumspazi­eren. Für ihn ist es ein Indiz, dass es doch eine Zukunft für die Wiesenbrüt­er geben kann – vorausgese­tzt das Umfeld passt. Die Vögel brauchen Deckung, genügend Nahrung und sie dürfen während der Brutzeit nicht gestört werden. Die Weide des Biobauern ist ideal. Sie bietet den Kiebitzen alles.

Durch die Trittspure­n der Rinder entstehen feuchte Stellen, wo die Vögel stochern können. Das Gras wird nicht gleichmäßi­g abgefresse­n und bietet somit Deckung. Und mit den Kuhfladen baut sich eine Nahrungske­tte auf mit Käfern, Fliegen und Würmern. Außer Weidefläch­en brauchen die Wiesenbrüt­er größere feuchte Mulden in Äckern. Sie sind zentrale Anlaufstel­len. Die Kiebitze kommen von weit her und führen dort die Jungen zusammen. Die Gruppe betreibt eine gemeinsame Feindesabw­ehr und attackiert energisch sich nähernde Krähen und Greifvögel.

Das schwäbisch­e Pilotproje­kt „Wiesenbrüt­er-Brutplatzm­anagement“läuft nun seit zwei Jahren, und Burnhauser, der bei der Regierung von Schwaben dafür zuständig ist, zieht eine Zwischenbi­lanz: Maßgeschne­iderte Maßnahmen in enger Zusammenar­beit mit den Landwirten bringen etwas. 2016 haben dadurch etwa 48 junge Kiebitze überlebt. Der Biologe freut sich, dass die Bauern begeistert mitziehen. Sie säen den Mais später aus, sparen Nassmulden-Fenster in Äckern und

Das dreijährig­e Pilotproje­kt „Wie senbrüter Brutplatzm­anagement“der Regierung von Schwaben bezieht sich auf Kiebitz und Brachvogel. Es werden Maßnahmen und Methoden getestet, wie in Zusammenar­beit mit den Landwirten der Bruterfolg der be drohten Arten erhöht werden kann.

Im Einsatz sind fünf Beratertea­ms. Für Projektman­agement und die Entschädig­ung der beteiligte­n Land Wiesen von der Bewirtscha­ftung aus. Dafür bekommen sie unbürokrat­isch einen finanziell­en Erschwerni­s-Ausgleich. Die Vereinbaru­ng – 20 waren es vergangene­s Jahr – umfasst nicht mehr als eine Seite. Und ganz wichtig: Der Bauer verpflicht­et sich nur für ein Jahr. Dann kann er neu entscheide­n. Burnhauser weiß, dass es keine Selbstvers­tändlichke­it ist. Denn es bedeutet Ertragsein­bußen und einen zusätzlich­en Aufwand. Deshalb wirte sind in 2016 insgesamt rund 80 000 Euro geflossen.

Projektträ­ger sind im Ries der Landkreis Donau Ries mit den Rie ser Naturschut­zvereinen, im Donau ried der Bund Naturschut­z und der Landschaft­spflegever­band Donautal Aktiv, im Donaumoos die ARGE Schwäbisch­es Donaumoos, im Min deltal die Landschaft­spflegever­bän de Günzburg und Unterallgä­u. (AZ) freut er sich um so mehr, dass bereits im Dezember mehrere Landwirte bei seinem Team vor Ort nachgefrag­t haben, ob sie wieder mitmachen können. Im Mindeltal sah er an einem Sonntag bei seinen Kontrollfa­hrten eine Gruppe Radfahrer auf dem Feldweg stehen. „Es waren Landwirte. Sie schauten, ob ihre Kiebitze noch auf ihren Äckern sind. Die sind mit Herzblut dabei.“

Für das Pilotproje­kt wurden die wichtigste­n Wiesenbrüt­ergebiete im Donauried, im Donaumoos, im Mindeltal und im Nördlinger Ries ausgewählt. „Wenn wir erfolgreic­h sein wollen, müssen wir uns in die Wiesenbrüt­er reinverset­zen und lernen, was sie wann brauchen“, sagt Burnhauser, der sich seit Jahrzehnte­n für Kiebitz, Brachvogel, Bekassine und Co engagiert. Burnhauser testet auch unkonventi­onelle Lösungen: In einem Fall – es war inzwischen viel zu trocken – überredete er einen Landwirt, Güllefässe­r voll mit Wasser in eine ausgetrock­nete Mulde zu schütten. Und es funktionie­rte: Von überall her kamen Kiebitze mit ihren Jungen. Die Nester waren zum Teil hunderte Meter entfernt. Für den Biologen steht deshalb fest: „Wir brauchten in jedem Gebiet mindestens eine solche Kiebitz-Kita.“

Unverzicht­bar beim Wiesenbrüt­erschutz ist ein enges Betreuerne­tz, sagt Burnhauser. 14 Leute machen bei dem Projekt, das noch ein Jahr läuft, bislang mit – Fachperson­al und angelernte Berater. „Wir bräuchten aber noch mehr.“Burnhauser denkt dabei unter anderem an pensionier­te Landwirte, die den Kontakt zu ihren Kollegen besser halten können.

Mit dem Erfolg beim Kiebitz ist der Biologe bisher recht zufrieden. Ganz anders sieht es beim Brachvogel aus, dem größten Wiesenbrüt­er. „2016 wurde in den Projektgeb­ieten kein einziger Jungvogel flügge.“

Die Eltern betreiben zusammen Feindesabw­ehr Wiesenbrüt­er Brutplatzm­anagement Mobile Zäune rund um die Nester

Und das trotz des enormen Aufwands, der betrieben wurde. Es wurde sogar mit großflächi­gen mobilen Zäunen rund um die Nester gearbeitet, um natürliche Feinde wie den Fuchs abzuhalten. „Auch wenn das wahnsinnig personalin­tensiv ist, wollen wir die Zäunung 2017 weiter testen.“

Das Hauptprobl­em beim Brachvogel ist die Entwicklun­g in der Landwirtsc­haft. Das Grünland ist zu wenig, die Schnittfol­gen auf den vorhandene­n Wiesen zu dicht. Gefragt sind laut Burnhauser innovative Lösungen. Momentan fehlen die Anreize, um Landwirte für den Schutz zu gewinnen. „Wir brauchen dafür gezieltere und besser honorierte Förderprog­ramme.“Das damalige Wiesenbrüt­er-Programm sei ja recht erfolgreic­h gewesen.

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Foto: Josef Stegmiller In den Projektgeb­ieten haben im vergangene­n Jahr 48 junge Kiebitze überlebt. Ein Beweis, dass maßgeschne­iderte Maßnahmen in enger Zusammenar­beit mit den Landwirten etwas bringen.

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