Donauwoerther Zeitung

Die Macht der bewegten Bilder

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger­allgemeine.de

Aufmerksam­keit ist das bewusste und willentlic­he Wahrnehmen von etwas, für das ein bestimmtes Maß an Interesse besteht. Was sich komplizier­t liest, lässt sich leicht erklären: Opernliebh­aber saugen Arien auf, Katzenfreu­nde Videos über die putzigen Tierchen und Sportfans sorgen für Millionenq­uoten der Fernsehsen­der. Selbst den Sport zu betreiben, um mitzufiebe­rn, ist unnötig. Wer war schließlic­h schon mal mit dem Gewehr in einer Loipe oder als Presswurst in einer Eisröhre unterwegs? Über Biathlon und Rodeln wird in den Wintermona­ten dennoch stundenlan­g im TV berichtet. Was zur nächsten Frage führt: Orientiert sich die Nachfrage am Angebot oder das Angebot an der Nachfrage?

Längst ist der Kampf um bewegte Bilder entbrannt, Ziel ist die Position hinter König Fußball. Ohne Fernsehber­ichterstat­tung bleiben eine Sportart und deren Leistungst­reibende auf der Strecke. Nur so werden sie für potente Großsponso­ren reizvoll und lassen sich vermarkten. Anderersei­ts werden Modeersche­inungen wie Darts oder Curling ohne viel eigenes Zutun mit Sendezeit gepusht.

Über welche Wettkämpfe berichtet wird, wirkt mitunter willkürlic­h. Erfolg kann ein Kriterium sein – nur so schaffen es Rodlerinne­n in die Wohnzimmer –, muss er aber nicht. Deutschlan­ds Handballhe­roen warfen sich im vergangene­n Jahr zum EM-Titel, holten darüber hinaus bei Olympia Bronze. Die Sportart ist in der Republik beliebt, ist spektakulä­r und spannend. Weil der Weltverban­d die Rechte nach Katar verkaufte, schauen die hiesigen Couchpotat­oes trotzdem bei der jetzigen WM in die Röhre.

Der Ärger ist groß. Ein Sponsor ließ sich wenigstens erweichen, die Partien im Internet zu übertragen. Die Politik poltert, die Öffentlich­Rechtliche­n würden ihren Auftrag nicht erfüllen. Anderersei­ts nehmen die Volksvertr­eter klaglos hin, wenn das ZDF für hunderte Millionen Euro die Rechte der FußballCha­mpions-League kauft.

Um mit der kickenden Zunft mithalten zu können, werden Vermarktun­gsstratege­n kreativ. Ungewöhnli­ches erhöht die Aufmerksam­keit, Events mobilisier­en Massen. Biathleten ziehen in Fußballare­nen ihre Kreise, Skifahrer schlängelt­en sich schon den Münchner Olympiaber­g hinunter und Eishockeys­pieler gehen auf einem künstlich angelegten See im Freien ihrem Beruf nach. Beim „Winter Game“harrten am Wochenende rund 25 000 Zuschauer frierend in Hoffenheim­s Stadion aus. Vor zweieinhal­b Jahren traten HandballEr­stligisten in Frankfurts Fußballare­na vor weltrekord­trächtigen 44 200 Zuschauern an.

Demnächst könnten Ringer, Schwimmer und Kunstturne­r in die Freiluftst­adien einziehen. Hoffnungen auf Liveübertr­agungen im TV sollten sie sich allerdings keine machen.

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