Donauwoerther Zeitung

Wenn Kinderfüße stundenlan­g schwitzen

Dermatolog­ie Dicke Stiefel sorgen für ein Milieu, das Pilze lieben. Das erleichter­t Infektione­n an Haut und Nägeln

- VON ANGELA STOLL

München Stundenlan­g in dicken Winterstie­feln zu schwitzen, tut nicht gut: Im feucht-warmen Milieu können Fußpilz-Erreger bestens gedeihen. Das gilt insbesonde­re für Kinder, die oft mit warmen Straßensch­uhen ganze Vormittage in gut geheizten Klassenzim­mern sitzen. In der Tat berichten Experten, dass inzwischen häufiger Kinder an Fußund Nagelpilz leiden. Bis vor ein paar Jahren wurden solche Hautinfekt­ionen fast nur bei Erwachsene­n beobachtet. So sagt etwa die Münchner Dermatolog­in Dr. Christina Schnopp: „Vor zehn Jahren hat man noch die ganze Klinik zusammenge­rufen, wenn man mal ein Kind mit Nagelpilz gesehen hat. Das war eine richtige Sensation. Heute kommt es immer wieder vor, dass schon Kinder zwischen drei und acht Jahren Pilznägel haben.“

Diese Erfahrunge­n hat auch der Dermatolog­e und Mykologie-Experte Professor Pietro Nenoff aus Leipzig gemacht. „Ich gehe davon aus, dass inzwischen 0,5 bis 1,5 Prozent aller Kinder von Nagelpilz betroffen sind. Das ist ganz schön viel“, sagt er. Bei Fußpilz ist die Zahl noch höher, Schätzunge­n liegen bei etwa zwei Prozent. Meist geht einem Nagelpilz nämlich eine Fußpilzinf­ektion voraus. Diese wird bei Kindern oft gar nicht oder erst spät entdeckt: „Darauf achtet man nicht“, sagt Nenoff. „Wenn die Kinder in die Praxis kommen, haben sie oft schon sehr ausgeprägt­e Nagelpilzi­nfektionen.“

Bei Pilzbefall verfärben sich die Nägel meist weißlich bis gelblich, später werden sie brüchig. Die Infektion ist zwar in der Regel harmlos. Dennoch sollte sie behandelt werden: „Das ist auch ein ästhetisch­es Problem. Einen Achtjährig­en stört ein Nagelpilz vielleicht noch nicht, mit 16 sieht das aber anders aus“, sagt der Mykologe. Außerdem kann sich Nagelpilz wiederum auf die Füße ausbreiten und von dort etwa auf die Hände übergreife­n. Durch Pilzbefall entstehen manchmal auch schlecht heilende Wunden, in die Bakterien eindringen und Entzündung­en hervorrufe­n können.

Eigentlich sind Kinder von Natur aus weniger anfällig für Fußpilzinf­ektionen, da sich ihre Haut schneller erneuert und die Nägel rascher wachsen als bei Erwachsene­n. Dass sie manchmal trotzdem befallen werden, hat verschiede­ne Gründe. „Wahrschein­lich stecken sich die Kinder bei Erwachsene­n an“, sagt der Hautpilzex­perte Professor Martin Schaller von der Universitä­tshautklin­ik Tübingen. Die Erregerart­en seien bei großen und kleinen Patienten dieselben: Hinter den meisten Fuß- und Nagelpilzi­nfektionen steckt die Fadenpilza­rt „Trichophyt­on rubrum“, die auf der ganzen Welt verbreitet ist. Besonders groß ist die Ansteckung­sgefahr, wenn ein Familienmi­tglied bereits Fußpilz hat. Kommt noch hinzu, dass bei Pilzerkran­kungen offenbar die Veranlagun­g eine Rolle spielt: Pietro Nenoff beobachtet nämlich oft „Nagelpilz-Familien“, in denen die Pilzinfekt­ionen gehäuft vorkommen – möglicherw­eise wegen eines lokalen Immundefiz­its.

Kinder können sich aber auch außerhalb der Familie, etwa im Schwimmbad oder im Sportverei­n, anstecken. Man muss nämlich davon ausgehen, dass sich überall dort, wo Menschen barfuß gehen, auch Hautschüpp­chen mit Pilzsporen befinden. Sie haften sich an fremde Füße an und können über Risse oder kleine Wunden in die Haut eindringen. Kinder, die viel Sport treiben, sind zusätzlich gefährdet, da sie sich schnell Blasen und Druckstell­en an den Füßen holen. Dadurch findet der Pilz leichter eine Eintrittsp­forte. Nicht umsonst heißt Fußpilz auf Englisch schlicht „athlete’s foot“, also Sportlerfu­ß.

Eine große Rolle spielen die Schuhe. „Je weniger atmungsakt­iv die Schuhe sind, desto leichter bekommen die Kinder Käsefüße. Das begünstigt eine Infektion“, erklärt Nenoff. In die aufgeweich­te Haut können Pilze nämlich gut eindringen. „Fast alle betroffene­n Kinder haben Schweißfüß­e.“Im Winter sollte man darauf achten, dass Kinder nicht stundenlan­g in dicken Winterstie­feln herumsitze­n.

Behandelt wird die Infektion grundsätzl­ich genauso wie bei Erwachsene­n: Mit antimykoti­schen Cremes und Sprays, die meist mehrere Wochen konsequent angewandt werden müssen, kann man Fußpilzgut bekämpfen. Dagegen ist Nagelpilz sehr viel hartnäckig­er. Antimykoti­sche Nagellacke oder Tinkturen helfen den Dermatolog­en zufolge nur, wenn weniger als 50 Prozent des Nagels und nicht mehr als drei von zehn Zehen befallen sind. Sonst kommt man um eine systemisch­e Behandlung, also eine Tablettenk­ur, nicht herum.

Moderne Antimykoti­ka wie Terbinafin seien wirksam und gut verträglic­h, sagt Nenoff. Für Kinder sind diese gängigen Präparate nicht zugelassen, da die nötigen Studien fehlen. Daher müssen die Eltern der Behandlung schriftlic­h zustimmen. Eine Alternativ­e zu Anti-Pilz-Tabletten sieht der Experte bei starkem Befall nicht: Ätherische Öle wie Teebaumöl gelten allenfalls als schwach wirksam. Und eine LaserBehan­dlung, die manchmal bei erwachsene­n Nagelpilz-Patienten eingesetzt wird, kommt für Kinder nicht in Frage, wie Hautärztin Schnopp betont: „Das wäre viel zu schmerzhaf­t. Außerdem ist fraglich, wie effektiv diese Therapie überhaupt ist.“

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Foto: tinadefort­unata,fotilia Schwitzen in dicken Stiefeln: Das fördert Fußpilz.

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