Donauwoerther Zeitung

Ihm genügt der Ruhm im Namen

Porträt Der Sänger, Organist und Komponist Georgie Fame gehört zu denen, die den großen Rummel meiden. Lieber macht er die Musik, die ihm behagt. Oder sagt, was Sache ist

- VON REINHARD KÖCHL

London Was ist „cool“? Nachts eine Sonnenbril­le tragen, schicke Anzüge spazieren führen, flotte Sprüche klopfen? Wer sich jemals mit Georgie Fame befasst hat, der wird den Eindruck nicht los, dass dieser Begriff vor allem für ihn erfunden wurde. Dabei kam es dem englischen Sänger, Organisten, Bandleader und Komponiste­n eigentlich kaum auf eine plakative Reihung von Äußerlichk­eiten an. Das eigentlich Coole an ihm ist, dass er nie seinen Weg verließ, unbeeindru­ckt von allen Trends weiter aus den Quellen des Bebop, Bigband-Swing, Blues, Soul, R&B, Rock ’n’ Roll oder Latin schöpfte und damit bis heute erfolgreic­h sein kann.

Georgie Fame ist anders. Anders als all die glattgebüg­elten Popmusiker, aber auch die Jazzer alter Schule. Vielleicht ein bisschen wie seine Freunde Van Morrison, Mose Allison (im November verstorben) und Ben Sidran, mit denen er 1996 „Tell Me Something“einspielte – ein Album der vereinigte­n Querköpfe und coolen Außenseite­r. Fame brauchte noch nie einen Manager, eine vorgeschal­tete Instanz, die ihm das Denken abnimmt. Deshalb fliegt er mal eben für drei Tage nach Hongkong, um vor 80 Leuten in kleinsten Klubs aufzutrete­n, um dann tags darauf im Smoking mit der großen Big-BandNummer vor 1000 Menschen abzuräumen.

Gegenüber den Medien macht sich der 73-Jährige rar, wie Kumpel Van Morrison, in dessen Bands er seit 1989 immer wieder mitwirkt. Aber nicht wegen irgendwelc­her Starallüre­n. „Ich möchte viel mehr unter dem Radar leben und mich den Dingen widmen, die mir wirklich wichtig sind“, begründet er seine Askese. „Ich weiß, dass Kollegen vermehrt auf Publicity setzen und eine eigene Website betreiben. Aber das brauche ich alles nicht mehr. Am liebsten wäre mir, dass es sich per Mundpropag­anda verbreiten würde, wenn ich irgendwo auftrete. Ob dann 50 oder 500 Leute kommen, wäre mir völlig egal.“

Das darf man ihm ruhig glauben. Denn Georgie Fame ist privat nach wie vor extrem freundlich und zuvorkomme­nd – gegenüber jedem Fan, bestätigt Uli Twelker, Autor der englischsp­rachigen Fame-Biografie „There’s Nothing Else To Do“(Veloco Press, San Antonio), für die Ex-Stones-Bassist Bill Wyman (in dessen Rhythm Kings Georgie Fame als Sänger und Sideman in die Tasten griff) das Vorwort schrieb. Schließlic­h wusste Clive Powell – so Fames bürgerlich­er Name – schon immer, dass der Weg von ganz unten nach ganz oben ihn in jenen schwerelos­en Raum der künstleris­chen Freiheit führen würde, in dem er tun und lassen konnte, was er wollte.

1959 erklang sein Startakkor­d in den Pubs von East-London, wo ihn der berüchtigt­e Manager Larry Parner zuerst als Lance Fortune und dann eben als Georgie Fame – frei übersetzt „Schorsch Ruhm“– auf die Bühne schickte. Clive alias Georgie besaß etwas, das die meisten anderen nicht hatten: Er konnte spielen und sich im richtigen Moment in die Rolle des mannschaft­sdienliche­n Mitmusiker­s zurückfall­en lassen und dabei wunderbare Geschichte­n erzählen. „Ich finde es sehr wichtig, den Leuten zu erklären, woher die Musik kommt. Viele denken bis heute, dass „Yeh Yeh“ein Matt-Bianco-Song ist, und das nehme ich ihnen auch gar nicht übel. Aber darum kläre ich das bei Konzerten gerne auf und sage ihnen, wo der Song wirklich herstammt.“Von ihm nämlich, mit einem Text aus der Feder seines großen Vorbildes, des amerikanis­chen Vocalese-Pioniers Jon Hendricks.

Überhaupt waren die Swinging Sixties eine Zeit, in der Georgie Fame und seine scheinbar im Akkord arbeitende Band The Blue Flames (in der sich unter anderem Jimi-Hendrix-Drummer Mitch Mitchell, John McLaughlin, Jon Hiseman, Dick Heckstall-Smith und Alan Skidmore tummelten) einen Hit nach dem anderen ausspuckte­n. Mit einer bis dato unbekannte­n Mischung aus Jazz, R&B, Blues, Soul und Latin stieg er zum Liebling der Mod- und Northern-Soul-Szene auf. Das dabei verdiente Geld verprasste er nicht etwa, sondern trug es ins Studio, um damit die Musiker des Harry South Orchestra für die Realisieru­ng seines Traumproje­ktes „Sound Venture“zu bezahlen.

Dessen Tracks befinden sich selbstrede­nd auf der geschmackv­oll designten Box, die den sarkastisc­hen Titel „Survival – A Career Anthology 1963–2015“trägt. Sechs Discs aus fünf Jahrzehnte­n mit allen Hitsingles wie dem Vaudeville-Schlager „The Ballad Of Bonnie & Clyde“, dem Dancefloor-Klassiker „Somebody Stole My Thunder“, einem alternativ­en Mix der Soul-Tanznummer „Daylight“sowie unveröffen­tlichten Live-Aufnahmen von 1974 aus dem Londoner Lyceum.

Gelebte Coolness: Bei dem Mann ist das nicht nur seine elegante Lässigkeit. Als 1965 die Aufnahmen für eine amerikanis­che TV-Show wegen der schwarzen Hautfarbe zweier Blue-Flames-Musiker in England aufgezeich­net werden mussten, stornierte er als Reaktion darauf eine Tour durch die Staaten. Die US-Sängerin Blossom Dearie widmete ihm daraufhin den Song „Sweet Georgie Fame“. Und allein die Liste von Weltstars, die ihn – neben Morrison und Wyman – bei ihren Produktion­en an ihrer Seite haben wollen, adelt ihn: Gene Vincent, Count Basie, Muddy Waters, Eric Clapton, Joan Armatradin­g, Benny Golson, Diana Krall … Georgie Fame sei ein Alleskönne­r, der mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht und dabei viele andere Stile für sich entdeckte, sagt Uli Twelker. Ein cooler Typ eben.

„Ich möchte unter dem Radar leben“, lautet sein Credo

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Foto: J.J.Guillen/Picture Alliance Große Namen des Rock und Jazz wissen ihn gerne an ihrer Seite: Georgie Fame.

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