Ort des Handels und Treffpunkt der Gesellschaft
Stadtgeschichte Das Tanzhaus steht leer. Doch angesichts der wechselhaften Geschichte dieser prominenten Adresse hat es neue Ideen verdient
Donauwörth Das Tanzhaus – seit Jahrhunderten das Gebäude der Stadt Donauwörth, an dem sich die Geschichte der Stadt ablesen lässt. Auch wenn die heute existierende Nachbildung des einstigen Hauses an sich nicht historisch ist – die Vergangenheit dieser Adresse ist erinnernswert und lässt umso mehr den Wunsch aufkommen, dass in dem seit gut einem Jahr leer stehenden Gebäude wieder neues Leben einzieht.
Denn das Tanzhaus war stets „Kristallisationspunkt gesellschaftlicher und kultureller Begegnung“, wie es der ehemalige Oberbürgermeister Alfred Böswald einst bei der Eröffnung des Neubaus im Jahr 1975 beschrieb. Und die Historie gibt ihm recht, denn es war bereits 1383, als die Bürger der freien Reichsstadt Schwäbisch Wörth den Wunsch hegten, ein Großkaufhaus zu errichten, das anderen Reichsstädten gleichkam. Die Bürger selbst – wie es damals Pflicht war – begannen mit dem ganz aus Stein gefertigten Bau, der ab 1400 als Handelsplatz am damaligen Markt (heute Reichsstraße) fungierte. Fleisch- und Brotbänke und weitere Läden wurden vermietet und brachten der Stadt Geld ein. Im Jahr 1570 diente es auch als Kornschranne. An Markttagen legten die Kaufleute ihre edlen Waren wie Gold, Silber und Seide im großen Saal im oberen Stockwerk aus. Auch Schuster sollen ihr Handwerk feilgeboten haben.
Doch es war eben mehr als nur ein Kaufhaus – was man ja später im Neubau der 70er durch die Passage wieder aufnahm. Das Tanzhaus war gesellschaftlichen Lebens. Zu Festtagen wurde der obere Saal freigeräumt für Tanz und Festivitäten. Zahlreiche Hochzeiten fanden hier statt, jeden Sonntag durfte von 12 bis 15 Uhr das Tanzbein geschwungen werden. Höhepunkt war sicher der Besuch des Kaisers Maximilian, der am 8. März 1500 in Begleitung seines ganzen Hofstaates erschien. Er eröffnete mit der Gemahlin des damaligen Wörther Bürgermeisters Imhof das Fest, das anlässlich der Geburt seines Enkels, dem späteren Karl V., gefeiert wurde.
Doch auch die schlimmen Tage in der Donauwörther Geschichte gingen an dem Haus nicht spurlos vorbei. Als Donauwörth 1609 geächtet war, war es mit der reichsstädtischen Ordnung vorbei. Bis dahin galt das Tanzhaus als „gemeine freyung“, also von der Amtsgewalt öffentlicher Beamter befreit. Im Juli 1609 aber mussten alle Männer ihre Waffen dort abgeben. Das Tanzhaus zum Waffenarsenal. Am 2. Juli 1704 steckten abziehende französische Soldaten das Tanzhaus in Brand, doch es wurde wieder ausgebessert. Zu Zeiten Napoleons wurden dort Gefangene untergebracht.
Ab 1858 war an gleicher Adresse schließlich die katholische Knabenschule im ersten Stock untergebracht, der Saal diente dem Stadttheater, im Erdgeschoss waren die städtische Freibank, das Schrannenstübchen mit Stadtwaage und zuletzt der Wochenmarkt untergebracht. Später war es der Umschlagplatz in Schwaben für Schafswolle.
Unwiederbringlich zerstört wurde das historische Tanzhaus, wie bekannt, am 11. April 1945, als ein massiver Bombenhagel auf Donauwörth niederging. Als sich der Staub gelegt hatte, blieben nur noch SteinMittelpunkt haufen und das Gerippe des Nordgiebels übrig.
Doch es war nicht das Ende, denn nur fünf Jahre später entstand an gleicher Adresse ein Übergangsbau. Der Filmtheaterbesitzer Sebastian Färber baute das „Provisorium“in Eigenregie. Neben dem Kino waren dort wieder Geschäfte angesiedelt, Zeitschriften, Schreibwaren und Matratzen gab es dort zu kaufen. „Möge das Tanzhaus im neuen Gewande Jahrhunderte überdauern und so seine schöne, alte Tradition fortsetzen, Mittelpunkt der Freude, Erholung und Entspannung für die Donauwörther und alle Bewohner sein“, wünschte Bürgermeister Andreas Mayr bei der Eröffnung am 16. Dezember 1950. Die Donauwörther waren froh, dass die Lücke der „grasumwuchernden Ruinen“(DZ vom 16. Dezember 1950) beseitigt war. Von Beginn an gab es Pläne, wie später aufgestockt werden sollte – doch es kam anders.
1971 entschied man sich nach lanwurde ger Diskussion, den provisorischen Bau abzureißen und komplett neu zu bauen. 6,3 Millionen Mark investierte die Stadt Donauwörth unter ihrem damaligen Rathauschef Alfred Böswald in das Tanzhaus, wie es heute noch dasteht. Man entschied sich für die „große Lösung“. Böswald dazu in seinem Donauwörth-Heft: „Eine Zeit, die nur nach dem fragt, was unbedingt notwendig ist, hat keine Zukunft.“
Rund zwei Jahre wurde gebaut: eine zweigeschossige Tiefgarage, zehn Läden in der Passage, eine öffentliche Toilette, die Garderobe und der Lift im Erdgeschoss. Im ersten Stock Foyer, der Stadtsaal mit maximal 654 Plätzen, eine Umkleide, Besprechungsräume und schließlich das Restaurant, Praxisräume und eine Wohnung. „So möchte ich das Tanzhaus den Bürgern der Stadt übergeben, dass sie es mit Handel und Wandel, mit Begegnung und Freude, dass sie es mit Leben füllen“, sagte Böswald zur Einweihung am 28. Juni 1975, was mit drei Tagen Straßenfest gefeiert wurde. Die damals von Architekt Lutz Simon gewählte Raumaufteilung macht heute Probleme, erfüllt sie doch kaum die Bedürfnisse einer modernen Nutzung. Das Restaurant im ersten Stock liegt ungünstig, es gibt keine Plätze im Freien – 1975 war das weniger üblich. Tiefgarage und Geschäftsräume sind zu eng und zu klein. Und so steht das Haus, in dem sich eigentlich das gesellschaftliche Leben Donauwörths (auch) abspielen sollte, leer. Ein Interessent, der wieder eine Art Markthalle betreiben wollte, sprang ab. Der Gedanke, ganz abzureißen, wurde öffentlich geäußert. Doch im Frühjahr möchte Oberbürgermeister Armin Neudert Ideen zweier Investoren vorstellen. Vielleicht hält es Neudert mit dem Credo seines Vorgängers: „Aus den Schätzen der Vergangenheit etwas für die Zukunft zu tun, ist Verpflichtung der Stadt.“
Zentraler Marktplatz für Schafswolle