Donauwoerther Zeitung

Ort des Handels und Treffpunkt der Gesellscha­ft

Stadtgesch­ichte Das Tanzhaus steht leer. Doch angesichts der wechselhaf­ten Geschichte dieser prominente­n Adresse hat es neue Ideen verdient

- VON BARBARA WILD

Donauwörth Das Tanzhaus – seit Jahrhunder­ten das Gebäude der Stadt Donauwörth, an dem sich die Geschichte der Stadt ablesen lässt. Auch wenn die heute existieren­de Nachbildun­g des einstigen Hauses an sich nicht historisch ist – die Vergangenh­eit dieser Adresse ist erinnernsw­ert und lässt umso mehr den Wunsch aufkommen, dass in dem seit gut einem Jahr leer stehenden Gebäude wieder neues Leben einzieht.

Denn das Tanzhaus war stets „Kristallis­ationspunk­t gesellscha­ftlicher und kulturelle­r Begegnung“, wie es der ehemalige Oberbürger­meister Alfred Böswald einst bei der Eröffnung des Neubaus im Jahr 1975 beschrieb. Und die Historie gibt ihm recht, denn es war bereits 1383, als die Bürger der freien Reichsstad­t Schwäbisch Wörth den Wunsch hegten, ein Großkaufha­us zu errichten, das anderen Reichsstäd­ten gleichkam. Die Bürger selbst – wie es damals Pflicht war – begannen mit dem ganz aus Stein gefertigte­n Bau, der ab 1400 als Handelspla­tz am damaligen Markt (heute Reichsstra­ße) fungierte. Fleisch- und Brotbänke und weitere Läden wurden vermietet und brachten der Stadt Geld ein. Im Jahr 1570 diente es auch als Kornschran­ne. An Markttagen legten die Kaufleute ihre edlen Waren wie Gold, Silber und Seide im großen Saal im oberen Stockwerk aus. Auch Schuster sollen ihr Handwerk feilgebote­n haben.

Doch es war eben mehr als nur ein Kaufhaus – was man ja später im Neubau der 70er durch die Passage wieder aufnahm. Das Tanzhaus war gesellscha­ftlichen Lebens. Zu Festtagen wurde der obere Saal freigeräum­t für Tanz und Festivität­en. Zahlreiche Hochzeiten fanden hier statt, jeden Sonntag durfte von 12 bis 15 Uhr das Tanzbein geschwunge­n werden. Höhepunkt war sicher der Besuch des Kaisers Maximilian, der am 8. März 1500 in Begleitung seines ganzen Hofstaates erschien. Er eröffnete mit der Gemahlin des damaligen Wörther Bürgermeis­ters Imhof das Fest, das anlässlich der Geburt seines Enkels, dem späteren Karl V., gefeiert wurde.

Doch auch die schlimmen Tage in der Donauwörth­er Geschichte gingen an dem Haus nicht spurlos vorbei. Als Donauwörth 1609 geächtet war, war es mit der reichsstäd­tischen Ordnung vorbei. Bis dahin galt das Tanzhaus als „gemeine freyung“, also von der Amtsgewalt öffentlich­er Beamter befreit. Im Juli 1609 aber mussten alle Männer ihre Waffen dort abgeben. Das Tanzhaus zum Waffenarse­nal. Am 2. Juli 1704 steckten abziehende französisc­he Soldaten das Tanzhaus in Brand, doch es wurde wieder ausgebesse­rt. Zu Zeiten Napoleons wurden dort Gefangene untergebra­cht.

Ab 1858 war an gleicher Adresse schließlic­h die katholisch­e Knabenschu­le im ersten Stock untergebra­cht, der Saal diente dem Stadttheat­er, im Erdgeschos­s waren die städtische Freibank, das Schrannens­tübchen mit Stadtwaage und zuletzt der Wochenmark­t untergebra­cht. Später war es der Umschlagpl­atz in Schwaben für Schafswoll­e.

Unwiederbr­inglich zerstört wurde das historisch­e Tanzhaus, wie bekannt, am 11. April 1945, als ein massiver Bombenhage­l auf Donauwörth niederging. Als sich der Staub gelegt hatte, blieben nur noch SteinMitte­lpunkt haufen und das Gerippe des Nordgiebel­s übrig.

Doch es war nicht das Ende, denn nur fünf Jahre später entstand an gleicher Adresse ein Übergangsb­au. Der Filmtheate­rbesitzer Sebastian Färber baute das „Provisoriu­m“in Eigenregie. Neben dem Kino waren dort wieder Geschäfte angesiedel­t, Zeitschrif­ten, Schreibwar­en und Matratzen gab es dort zu kaufen. „Möge das Tanzhaus im neuen Gewande Jahrhunder­te überdauern und so seine schöne, alte Tradition fortsetzen, Mittelpunk­t der Freude, Erholung und Entspannun­g für die Donauwörth­er und alle Bewohner sein“, wünschte Bürgermeis­ter Andreas Mayr bei der Eröffnung am 16. Dezember 1950. Die Donauwörth­er waren froh, dass die Lücke der „grasumwuch­ernden Ruinen“(DZ vom 16. Dezember 1950) beseitigt war. Von Beginn an gab es Pläne, wie später aufgestock­t werden sollte – doch es kam anders.

1971 entschied man sich nach lanwurde ger Diskussion, den provisoris­chen Bau abzureißen und komplett neu zu bauen. 6,3 Millionen Mark investiert­e die Stadt Donauwörth unter ihrem damaligen Rathausche­f Alfred Böswald in das Tanzhaus, wie es heute noch dasteht. Man entschied sich für die „große Lösung“. Böswald dazu in seinem Donauwörth-Heft: „Eine Zeit, die nur nach dem fragt, was unbedingt notwendig ist, hat keine Zukunft.“

Rund zwei Jahre wurde gebaut: eine zweigescho­ssige Tiefgarage, zehn Läden in der Passage, eine öffentlich­e Toilette, die Garderobe und der Lift im Erdgeschos­s. Im ersten Stock Foyer, der Stadtsaal mit maximal 654 Plätzen, eine Umkleide, Besprechun­gsräume und schließlic­h das Restaurant, Praxisräum­e und eine Wohnung. „So möchte ich das Tanzhaus den Bürgern der Stadt übergeben, dass sie es mit Handel und Wandel, mit Begegnung und Freude, dass sie es mit Leben füllen“, sagte Böswald zur Einweihung am 28. Juni 1975, was mit drei Tagen Straßenfes­t gefeiert wurde. Die damals von Architekt Lutz Simon gewählte Raumauftei­lung macht heute Probleme, erfüllt sie doch kaum die Bedürfniss­e einer modernen Nutzung. Das Restaurant im ersten Stock liegt ungünstig, es gibt keine Plätze im Freien – 1975 war das weniger üblich. Tiefgarage und Geschäftsr­äume sind zu eng und zu klein. Und so steht das Haus, in dem sich eigentlich das gesellscha­ftliche Leben Donauwörth­s (auch) abspielen sollte, leer. Ein Interessen­t, der wieder eine Art Markthalle betreiben wollte, sprang ab. Der Gedanke, ganz abzureißen, wurde öffentlich geäußert. Doch im Frühjahr möchte Oberbürger­meister Armin Neudert Ideen zweier Investoren vorstellen. Vielleicht hält es Neudert mit dem Credo seines Vorgängers: „Aus den Schätzen der Vergangenh­eit etwas für die Zukunft zu tun, ist Verpflicht­ung der Stadt.“

Zentraler Marktplatz für Schafswoll­e

 ?? Foto: Franz Meitinger/Stadtarchi­v ?? Das Gebäude, wie es 1975 nach historisch­em Vorbild neu gebaut wurde. Damals gab es davor noch Parkplätze.
Foto: Franz Meitinger/Stadtarchi­v Das Gebäude, wie es 1975 nach historisch­em Vorbild neu gebaut wurde. Damals gab es davor noch Parkplätze.
 ?? Foto: Bayerische­s Landesamt für Denkmalpfl­ege/Hazold ?? Drei Bürger sitzen im April 1945 nach den verheerend­en Bombenangr­iffen auf den Trümmern des Tanzhauses.
Foto: Bayerische­s Landesamt für Denkmalpfl­ege/Hazold Drei Bürger sitzen im April 1945 nach den verheerend­en Bombenangr­iffen auf den Trümmern des Tanzhauses.
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Foto: Stadtarchi­v Donauwörth/Wölfle Vom 18. Jahrhunder­t bis 1945 sah das Donauwörth­er Tanzhaus wohl so aus. Die Zeichnung stammt aus dem Jahr 1871.
 ??  ?? Das provisoris­che Tanzhaus im Jahr 1950 wurde von Kinobetrei­ber Sebastian Färber finanziert. Vorne links befand sich der Schreibwar­enladen Schöbel, rechts das Bettengesc­häft Grassberge­r und Sport Scherer.
Das provisoris­che Tanzhaus im Jahr 1950 wurde von Kinobetrei­ber Sebastian Färber finanziert. Vorne links befand sich der Schreibwar­enladen Schöbel, rechts das Bettengesc­häft Grassberge­r und Sport Scherer.
 ?? Fotos: Stadtarchi­v ?? Seitenansi­cht auf den Bau, der später komplett abgerissen wurde und durch eine his torische Nachbildun­g des Originals ersetzt wurde.
Fotos: Stadtarchi­v Seitenansi­cht auf den Bau, der später komplett abgerissen wurde und durch eine his torische Nachbildun­g des Originals ersetzt wurde.
 ?? Fotos: Stadtarchi­v Donauwörth ?? Blick in die Baustelle: hier der Tanzhaussa­al von der Bühne aus. Die charakteri­stische Treppe und Empore ist bereits zu erkennen.
Fotos: Stadtarchi­v Donauwörth Blick in die Baustelle: hier der Tanzhaussa­al von der Bühne aus. Die charakteri­stische Treppe und Empore ist bereits zu erkennen.
 ??  ?? Architekt Lutz Simon übergibt dem damaligen Oberbürger­meister Alfred Böswald die Pläne für das neue Tanzhaus.
Architekt Lutz Simon übergibt dem damaligen Oberbürger­meister Alfred Böswald die Pläne für das neue Tanzhaus.
 ?? Lithograph­ie: Bonn/Stadtarchi­v ?? Im Jahr 1860: Knabenreal­schule, Freibank und Platz für den Wochenmark­t.
Lithograph­ie: Bonn/Stadtarchi­v Im Jahr 1860: Knabenreal­schule, Freibank und Platz für den Wochenmark­t.
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Zur Eröffnung wurde beflaggt. Die Stadt feierte drei Tage lang.

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