In Bayern mangelt es an Hebammen
Gesellschaft Geburtshelferinnen klagen über dramatisch verschlechterte Arbeitsbedingungen
Augsburg Der Beruf der Hebamme ändert sich grundlegend. Das hat spürbare Folgen auch in Bayern. „Es gibt keine Hebammen mehr auf dem Markt“, sagt der Pflegedirektor des Klinikums Memmingen, Hans-Jürgen Stopora. Da aber die Zahl der Geburten steige, bildet das Krankenhaus nun in Kooperation mit der Hebammenschule Ulm junge Menschen aus. Doch die Zahl der Hebammen ist im Freistaat nicht rückläufig, sondern sogar leicht gestiegen. Darauf verweist Astrid Giesen vom Bayerischen HebammenLandesverband. Ihrer Einschätzung nach ist das Problem daher nicht die Zahl der Hebammen, sondern es sind die veränderten Arbeitsbedingungen, die dazu führten, dass immer mehr Hebammen weniger Leistungen anbieten.
Etwa 2950 Hebammen zählt der Landesverband in Bayern. Viele von ihnen haben selbst Familie und arbeiteten lediglich in Teilzeit auf 450-Euro-Basis, erklärt Landeschefin Giesen. Aus den Kliniken seien viele „geflohen“, da sich die Rahmenbedingungen so massiv verschlechtert hätten. Giesen nennt vor allem die „Arbeitsverdichtung“als Belastung. Das heißt, dass immer öfter nicht die Geburtshilfe im Mittelpunkt stünde, sondern etwa Dokumentationsarbeit. Auch würden immer mehr Kinder mit Kaiserschnitt auf die Welt kommen und die Hebammen im „stark hierarchischen System der Kliniken“zunehmend ihre autonome Rolle verlieren, nicht selten seien sie „nur die Assistenz vom Arzt“. Die vielen freiberuflichen Hebammen wiederum ächzten unter anderem unter den stark gestiegenen Haftpflichtversicherungsprämien.
Eine höhere Bezahlung der Hebammenarbeit ist für Susanne Keller daher überfällig. Sie leitet das Hebammen-Team in der Frauenklinik Josefinum in Augsburg. Denn auch sie sagt: „Wir haben nicht zu wenig ausgebildete Hebammen, sondern viele beenden ihre Tätigkeiten unter den gegebenen Konditionen.“Der Deutsche Hebammenverband weist darauf hin, dass die Haftpflichtprämien nicht etwa nach oben klettern, weil es mehr Schadensfälle bei der Geburtshilfe gibt. Doch die Ausgaben für schwere Schäden seien drastisch gestiegen. Keller, die seit über 25 Jahren in ihrem Beruf tätig ist, beobachtet auch eine höhere Klagebereitschaft von den Versicherungen. Irritierend sei überdies auch die Erwartungshaltung mancher Eltern: „Die Geburt soll heute pünktlich, schmerzarm und ohne Komplikationen sein.“
Vor allem müssen Hebammen stärker als früher nach Ansicht der Verbandsvorsitzenden Giesen wissenschaftlich fundiert handeln. Daher begrüßt sie die geplante Akademisierung
Ein Studium soll den Beruf aufwerten
des Berufs. Die Hebammenschule Ulm gehört in Süddeutschland nach eigenen Angaben zu den Vorreitern in diese Richtung: Sie bietet ab 2017 eine vierjährige Ausbildung mit Bachelor-Abschluss. Für Giesen bedeutet dies „langfristig eine Aufwertung unseres Berufes“. An Bewerbern mangelt es nach Angaben von Elvira Hoffmann, Leiterin der Ulmer Hebammenschule, nicht. Die Ausbildungsplätze würden von 54 bis zum Jahr 2020 verdoppelt.
Mehr Ausbildungsplätze wünscht sich Robert Manu vom Deutschen Hebammenverband. Seiner Meinung nach fehlen ausgebildete Hebammen: „Schon jetzt finden viele Frauen keine Hebamme für die Vor- und Nachsorge.“Auch er nennt die Versicherungsprämien eine Haupthürde. Daher fordert der Verband einen Fonds für Schäden, die über einer bestimmten Deckungssumme liegen. Eine Einordnung lesen Sie im Kommentar.