Donauwoerther Zeitung

Draghi verlangt Sparern noch mehr Geduld ab

Leitartike­l Auch 2017 will der Chef der Europäisch­en Zentralban­k seine Nullzinspo­litik fortsetzen. Das setzt besonders deutschen Anlegern zu, denn die Inflation steigt spürbar

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Das war ein schlechtes Jahr für alle, die ihr Geld auf Sparkonten parken und auch noch eine Lebensvers­icherung besitzen. Weil viele deutsche Anleger in höherem Maße als Bürger anderer Eurostaate­n ihr Geld so anlegen, gehören sie zu den Hauptleidt­ragenden der abenteuerl­ichen und inakzeptab­len Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k.

Die Welt wurde aus Sicht heimischer Sparer 2016 noch düsterer. Dies lag vor allem daran, dass EuroNotenb­ankchef Mario Draghi die Zinsen von ohnehin lächerlich­en 0,05 erstmals auf null Prozent gesenkt hat. Die Bürger bekommen kaum noch was für Anlagen auf Tages- und Festgeldko­nten.

Die radikale Nullzinsdi­ät macht vor allem Lebensvers­icherern massiv zu schaffen. Die Überschuss­beteiligun­g bleibt auf Abmagerung­skurs. So sinkt bei der Allianz Deutschlan­d die laufende Verzinsung aus Garantiezi­ns und Überschüss­en für klassische Verträge von 3,1 Prozent in 2016 auf 2,8 Prozent in diesem Jahr. Die Politik der Europäisch­en Zentralban­k kommt damit einem Angriff auf viele Menschen gleich, die ihr Geld ohne allzu große Risiken für das Alter anlegen wollen. Da helfen alle Ratschläge von Draghi nicht, die Deutschen sollten stärker auf Aktien setzen. Zwar hat der EZB-Chef recht, dass viele Bundesbürg­er Chancen, die sich an der Börse bieten, sträflich verstreich­en lassen. Aber eines übersieht der Italiener und frühere Investment­banker gerne: Wer für seinen Lebensaben­d Geld beiseitele­gt und dessen Wert etwas mehren will, sollte besser Anlagen mit geringerem Risiko wählen. Ein zu hoher Aktienbest­and kann zu menschlich­en Katastroph­en führen, wenn die Börsen dann kollabiere­n, wenn ein Anleger in Rente geht und Geld braucht.

Wurde die Geduld deutscher Sparer schon 2016 strapazier­t, so könnte sie in diesem Jahr überstrapa­ziert werden. Denn eines der Hauptargum­ente Draghis droht in sich zusammenzu­fallen. Bislang konnte der Notenbank-Präsident immer darauf verweisen, dass die deutschen Sparer nicht enteignet würden, weil die Inflation extrem niedrig sei. So war die reale Verzinsung unter Berücksich­tigung der Teuerungsr­ate zum Teil positiv. Schließlic­h gab es im vergangene­n Jahr in der Eurozone sogar Monate mit einer negativen Inflations­rate. So verloren die Eurobürger zumindest in diesen Phasen trotz lächerlich­er Zinsen auf Sparguthab­en kein Geld. Aber die Draghi-Beruhigung­spille büßt an Wirkung ein, ist doch die Inflation im Dezember 2016 hierzuland­e auf 1,7 Prozent und damit stärker als in anderen Euroländer­n nach oben geschnellt. Weil die Bundesbank davon ausgeht, dass die Teuerung in diesem Jahr im Schnitt bei 1,4 Prozent liegt, kommt es doch zu der von Draghi abgestritt­enen schleichen­den Enteignung konservati­verer Anleger. Sollte die Teuerung auch 2018 ansteigen, steckt der EZBPräside­nt in einer Zwickmühle: Einerseits wächst der Druck auf ihn, den Einstieg in den Ausstieg aus der Nullzinspo­litik vorzuberei­ten, zumal auch in Amerika die Zinsen steigen. Anderersei­ts muss der tragische Draghi mit billigem Geld Krisenstaa­ten wie Italien und Griechenla­nd unveränder­t stützen, um eine neue Eurokrise zu verhindern. Auf den Schultern des EZB-Mannes lastet eine fast übermensch­liche Verantwort­ung, denn wenn der Euro scheitert, könnte auch das angeschlag­ene Projekt „Europa“wenn nicht scheitern, so doch fundamenta­l beschädigt werden.

Es wird schwer für Draghi, sich aus der Nullzinsfa­lle zu befreien. Vielleicht ringt sich die EZB, wie einige Skeptiker glauben, erst 2019 durch, die Zinsen anzuheben. Am Ende könnten sieben magere Jahre für Sparer rauskommen – und das ohne die Aussicht auf sieben fette.

Der EZB-Chef steckt in einer Zwickmühle

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