Grummeln über das Wiener Wunderkind
Österreich Lobbyisten und Parteifreunde wollen verhindern, dass der junge Außenminister Kurz ÖVP-Kanzlerkandidat wird
Wien Auf den ersten Blick steht Österreichs Außenminister Sebastian Kurz immer noch ganz oben. Die Europaausgabe des US-Magazins Politico wählte den 30 Jahre jungen Konservativen im Dezember auf Platz zwölf auf der Liste der einflussreichsten Politiker Europas. Das Magazin würdigte Kurz als „The fresh Face“, das frische Gesicht unter den 28 Menschen, „die Europa 2017 gestalten, aufrütteln und erschüttern“werden.
In seiner Heimat wird Kurz von den einen als eine Art Kreuzritter für die österreichischen Interessen verehrt, von anderen als Elefant im Porzellanladen kritisiert. Denn der seit drei Jahren amtierende Außenminister mit dem WunderkindImage ist in seiner Heimat längst nicht mehr unumstritten. So wird vor allem in Österreichs Wirtschaft mit Skepsis wahrgenommen, dass Kurz jede Gelegenheit nutzt, um Schlagzeilen zu machen.
Auch in deutschen Medien macht der junge ÖVP-Politiker von sich reden. Vor allem, wenn er Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsoder Europapolitik kritisiert. Auf höchster Ebene ist der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier wegen mehrerer unabgesprochener Alleingänge des ehrgeizigen Österreichers inzwischen spürbar auf Distanz zu Kurz gegangen.
In Österreich sind manche Unternehmer ungehalten, weil Kurz in der Türkei-Frage so früh und nachhaltig auf Konfrontationskurs gegangen ist. Der österreichische Wirtschaftsverbandsvertreter in der Türkei tadelte den Außenminister sogar öffentlich in einem Interview: Die „verbalen Schlagabtäusche zwischen Wien und Ankara“seien schädlich für die Wirtschaftsbeziehungen. Nachdem Kurz in Brüssel die Beitrittsverhandlungen boykottiert habe, „stornierten türkische Geschäftspartner schon unterzeichnete Verträge“, klagte der Lobbyist.
Der Präsident der österreichischen Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, mischt sich sogar direkt in die ÖVP-Politik ein. Leitl warnt davor, dass Kurz den ÖVP-Vorsitzenden Reinhold Mitterlehner als Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl 2018 auszubooten versucht. Leitl, selbst ÖVP-Mann, empfahl, beide sollten „sich zusammensetzen und untereinander verständigen“.
Parteichef Mitterlehner ist aber nicht bereit, Kurz schon jetzt die Spitzenposition zu überlassen. Es sei zu prüfen, ob „Kompetenz im Wirtschaftsund Wissenschaftsbereich nicht nützlich sein könnten“, sagte Mitterlehner, der in Wien nicht nur Vizekanzler, sondern auch Wirtschaftsminister ist. „Üblicherweise“sei der Vorsitzende der Spitzenkandidat, fügte der 61-Jährige hinzu.
Auch die mächtigen ÖVP-Landeschefs von Oberösterreich, Tirol und der Steiermark griffen in die Personaldebatte ein: Sie stellten sich an Mitterlehners Seite. Kurz reagiert beleidigt auf die Ratschläge aus seiner Partei. Er verstehe die Debatte nicht, ließ er ausrichten. Er sei mit der Aufgabe als Außenminister „vollkommen ausgelastet“. Aus der Umgebung des Außenministers wird gestreut, Kurz sei nicht am ÖVP-Vorsitz interessiert. Die Partei sei wegen ihrer Struktur unführbar. In der ÖVP haben die Landesverbände und die Parteiorganisationen Wirtschaftsbund und Bauernbund die Macht, was Veränderungen erschwert.
Für die SPÖ ist dagegen längst klar, dass Kurz bei der nächsten Wahl gegen den regierenden Kanzler Christian Kern antreten wird, auch weil Mitterlehner in Umfragen weit schlechter abschneidet. Es wird kolportiert, dass SPÖ-Wahlstrategen bereits nach Leichen im Keller des Jungpolitikers suchen, etwa in der Wiener Disco-Szene, wo Kurz’ politische Karriere als Vorsitzender der ÖVP-Jugendorganisation ihren Anfang nahm. Tatsächlich ist dem Minister seine Wahlkampagne von 2010 inzwischen peinlich. Damals ging Kurz mit einem „Geil-o-Mobil“– einem gut 20 Liter Sprit fressenden Hummer-Geländewagen mit der Aufschrift „Schwarz macht geil“– auf Jungwähler-Jagd. Geschadet hat das ihm schon damals nicht.
Mehrere Landeschefs stellen sich gegen den 30 Jährigen