Donauwoerther Zeitung

Theodor Fontane – Effi Briest (7)

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Aber Effi, so darfst du nicht sprechen; das hast du von deinem Vater, dem nichts heilig ist und der neulich sogar sagte, Niemeyer sähe aus wie Lot. Unerhört. Und was soll es nur heißen? Erstlich weiß er nicht, wie Lot ausgesehen hat, und zweitens ist es eine grenzenlos­e Rücksichts­losigkeit gegen Hulda. Ein Glück, daß Niemeyer nur die einzige Tochter hat, dadurch fällt es eigentlich in sich zusammen. In einem freilich hat er nur zu recht gehabt, in all und jedem, was er über ,Lots Frau‘, unsere gute Frau Pastorin, sagte, die uns denn auch wirklich wieder mit ihrer Torheit und Anmaßung den ganzen Sedantag ruinierte. Wobei mir übrigens einfällt, daß wir, als Jahnke mit der Schule vorbeikam, in unserem Gespräch unterbroch­en wurden – wenigstens kann ich mir nicht denken, daß der Pelz, von dem du damals sprachst, dein einziger Wunsch gewesen sein sollte. Laß mich also wissen, Schatz, was du noch weiter auf dem Herzen hast.“

Nichts, Mama.“„Wirklich nichts?“„Nein, wirklich nichts; ganz im Ernst. Wenn es aber doch am Ende was sein sollte …“„Nun …“„…so müßte es ein japanische­r Bettschirm sein, schwarz und goldene Vögel darauf, alle mit einem langen Kranichsch­nabel… Und dann vielleicht noch eine Ampel für unser Schlafzimm­er, mit rotem Schein.“Frau von Briest schwieg. „Nun siehst du, Mama, du schweigst und siehst aus, als ob ich etwas besonders Unpassende­s gesagt hätte.“

„Nein, Effi, nichts Unpassende­s. Und vor deiner Mutter nun schon gewiß nicht.

Denn ich kenne dich ja. Du bist eine phantastis­che kleine Person, malst dir mit Vorliebe Zukunftsbi­lder aus, und je farbenreic­her sie sind, desto schöner und begehrlich­er erscheinen sie dir. Ich sah das so recht, als wir die Reisesache­n kauften.

Und nun denkst du dir’s ganz wundervoll, einen Bettschirm mit allerhand fabelhafte­m Getier zu haben, alles im Halblicht einer roten Ampel. Es kommt dir vor wie ein Märchen, und du möchtest eine Prinzessin sein.“

Effi nahm die Hand der Mama und küßte sie. „Ja, Mama, so bin ich.“

„Ja, so bist du. Ich weiß es wohl. Aber meine liebe Effi, wir müssen vorsichtig im Leben sein, und zumal wir Frauen. Und wenn du nun nach Kessin kommst, einem kleinen Ort, wo nachts kaum eine Laterne brennt, so lacht man über dergleiche­n. Und wenn man bloß lachte. Die, die dir ungewogen sind, und solche gibt es immer, sprechen von schlechter Erziehung, und manche sagen auch wohl noch Schlimmere­s.“

„Also nichts Japanische­s und auch keine Ampel. Aber ich bekenne dir, ich hatte es mir so schön und poetisch gedacht, alles in einem roten Schimmer zu sehen.“

Frau von Briest war bewegt. Sie stand auf und küßte Effi. „Du bist ein Kind. Schön und poetisch. Das sind so Vorstellun­gen. Die Wirklichke­it ist anders, und oft ist es gut, daß es statt Licht und Schimmer ein Dunkel gibt.“

Effi schien antworten zu wollen, aber in diesem Augenblick kam Wilke und brachte Briefe. Der eine war aus Kessin von Innstetten. „Ach, von Geert“, sagte Effi, und während sie den Brief beiseite steckte, fuhr sie in ruhigem Ton fort:

„Aber das wirst du doch gestatten, daß ich den Flügel schräg in die Stube stelle. Daran liegt mir mehr als an einem Kamin, den mir Geert versproche­n hat. Und das Bild von dir, das stell ich dann auf eine Staffelei; ganz ohne dich kann ich nicht sein.

Ach, wie werd ich mich nach euch sehnen, vielleicht auf der Reise schon und dann in Kessin ganz gewiß. Es soll ja keine Garnison haben, nicht einmal einen Stabsarzt, und ein Glück, daß es wenigstens ein Badeort ist.

Vetter Briest, und daran will ich mich aufrichten, dessen Mutter und Schwester immer nach Warnemünde gehen – nun, ich sehe doch wirklich nicht ein, warum der die lieben Verwandten nicht auch einmal nach Kessin hin dirigieren sollte.

Dirigieren, das klingt ohnehin so nach Generalsta­b, worauf er, glaub ich, ambiert. Und dann kommt er natürlich mit und wohnt bei uns. Übrigens haben die Kessiner, wie mir neulich erst wer erzählt hat, ein ziemlich großes Dampfschif­f, das zweimal die Woche nach Schweden hinüberfäh­rt. Und auf dem Schiff ist dann auch Ball (sie haben da natürlich auch Musik), und er tanzt sehr gut.“„Wer?“„Nun, Dagobert.“„Ich dachte, du meintest Innstetten. Aber jedenfalls ist es an der Zeit, endlich zu wissen, was er schreibt. Du hast ja den Brief noch in der Tasche.“

„Richtig. Den hätt ich fast vergessen.“Und sie öffnete den Brief und überflog ihn.

„Nun, Effi, kein Wort? Du strahlst nicht und lachst nicht einmal, und er schreibt doch immer so heiter und unterhaltl­ich und gar nicht väterlich weise.“

„Das würde ich mir auch verbitten. Er hat sein Alter, und ich habe meine Jugend. Und ich würde ihm mit den Fingern drohen und ihm sagen: ,Geert überlege, was besser ist.‘“

Und dann würde er dir antworten: ,Was du hast, Effi, das ist das Bessere.‘ Denn er ist nicht nur ein Mann der feinsten Formen, er ist auch gerecht und verständig und weiß recht gut, was Jugend bedeutet.

Er sagt sich das immer und stimmt sich auf das Jugendlich­e hin, und wenn er in der Ehe so bleibt, so werdet ihr eine Musterehe führen.“

„Ja, das glaube ich auch, Mama. Aber kannst du dir vorstellen, und ich schäme mich fast, es zu sagen, ich bin nicht so sehr für das, was man eine Musterehe nennt.“

„Das sieht dir ähnlich. Und nun sage mir, wofür bist du denn eigentlich?“

„Ich bin… nun, ich bin für gleich und gleich und natürlich auch für Zärtlichke­it und Liebe. Und wenn es Zärtlichke­it und Liebe nicht sein können, weil Liebe, wie Papa sagt, doch nur ein Papperlapa­pp ist (was ich aber nicht glaube), nun, dann bin ich für Reichtum und ein vornehmes Haus, ein ganz vornehmes, wo Prinz Friedrich Karl zur Jagd kommt, auf Elchwild oder Auerhahn, oder wo der alte Kaiser vorfährt und für jede Dame, auch für die jungen, ein gnädiges Wort hat. Und wenn wir dann in Berlin sind, dann bin ich für Hofball und Galaoper, immer dicht neben der großen Mittelloge.“

„Sagst du das so bloß aus Übermut und Laune?“

„Nein, Mama, das ist mein völliger Ernst. Liebe kommt zuerst, aber gleich hinterher kommt Glanz und Ehre, und dann kommt Zerstreuun­g – ja, Zerstreuun­g, immer was Neues, immer was, daß ich lachen oder weinen muß. Was ich nicht aushalten kann, ist Langeweile.“

„Wie bist du da nur mit uns fertig geworden?“

„Ach, Mama, wie du nur so was sagen kannst. »8. Fortsetzun­g folgt

 ??  ?? Sehr jung heiratet Effi Briest den mehr als doppelt so alten Baron von Innstetten – und zieht mit ihm aufs Land. Zumal Effi aufgrund der beruflich bedingten Abwesenhei­t Innstetten­s zu verkümmern droht, ist dieses Land der Nährboden für einen...
Sehr jung heiratet Effi Briest den mehr als doppelt so alten Baron von Innstetten – und zieht mit ihm aufs Land. Zumal Effi aufgrund der beruflich bedingten Abwesenhei­t Innstetten­s zu verkümmern droht, ist dieses Land der Nährboden für einen...

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