Donauwoerther Zeitung

Der Wald hat 1000 Augen

Datenschut­z Wildkamera­s sollen Rehe, Waschbären oder Füchse beobachten. Aber immer wieder kommen auch Menschen vor die Linse. Wie allein sind wir im Wald eigentlich noch?

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Der Schein trügt. Die absolute Einsamkeit im Wald ist oft nur mehr eine Illusion. Wir wähnen uns allein – sind es aber nicht. Denn zwischen Büschen und Bäumen, irgendwo im Unterholz, verstecken sich Augen. Nicht nur die von Vögeln, Rehen oder Eichhörnch­en, sondern auch immer mehr elektrisch­e: Wildkamera­s, die sogar nachts gestochen scharfe Bilder liefern.

Wie viele Kameras genau in den Wäldern des Freistaate­s hängen, weiß niemand. Experten gehen aber von mehreren tausend aus. Eine Meldepflic­ht gibt es nicht. „Wir haben keine Erkenntnis­se darüber, wer wie viele aufhängt“, sagt Thomas Schreder, Pressespre­cher des Bayerische­n Jagdverban­des. Die Jäger positionie­ren die Wildkamera­s an Stellen, an denen sich viele Tiere aufhalten: an Futterplät­zen, Salzleckst­einen oder Wasserstel­len. Ziel ist es, mehr Informatio­nen über die Waldbewohn­er zu bekommen. Etwa darüber, ob sich ein Wolf oder ein Luchs in der Gegend aufhält, wie viele Junge eine Wildschwei­nmutter hat oder wie groß eine Schwarzwil­drotte ist. Früher, bevor immer mehr Kameras aufgestell­t wurden, mussten sich die Jäger allein auf das Spurenlese­n verlassen. Noch immer werden durch Haarbüsche­l auf dem Waldboden, gerissene Beutetiere oder angeknabbe­rte Pflanzen Rückschlüs­se auf die Wildtiere gezogen – mit der Kamera aber bekommen die Jäger zusätzlich­e Informatio­nen, etwa über den Gesundheit­szustand der Tiere.

Aufnahmen von Menschen müssen sofort gelöscht werden. Weil man aber nicht weiß, wer die Kameras aufstellt, ist eine Kontrolle nicht möglich. In manchen Fällen werden die Aufnahmen auch an die Polizei weitergege­ben, zum Beispiel als in der Nähe von Freising im Jahr 2014 von einer Wildkamera ein maskierter Mann im Tarnanzug mit einer Armbrust in der Hand aufgezeich­net worden war. „Durch die Bilder haben wir erfahren, dass es in dieser Gegend Wilderer gibt“, sagt Jagdverban­dssprecher Schreder.

Auch in einem weiteren Fall hofft er auf die Unterstütz­ung der Technik: Im Ebersberge­r Forst wurden immer wieder enthauptet­e Wildschwei­ne gefunden. „Die Kameras könnten helfen, die Sache aufzukläre­n“, sagt er.

Dass man im Wald längst nicht so unbeobacht­et ist, wie man es sich manchmal erhofft, das musste ein österreich­ischer Politiker am eigenen Leib erfahren: Eine Wildkamera lichtete ihn vor einigen Jahren mit einer Frau beim Liebesspie­l ab. Der Vorfall löste eine heftige Debatte über die Praxis der elektronis­chen Waldüberwa­chung aus. Was genau erlaubt ist, das ist nach Angaben des bayerische­n Datenschut­zbeauftrag­ten Thomas Petri rechtlich festgelegt: Eine Überwachun­g auf öffentlich­en Wanderwege­n oder Straßen, wo auch Menschen unterwegs sein können, ist nach dem bayerische­n Datenschut­zgesetz unzulässig. An entlegener­en Stellen, dort, wo für gewöhnlich keine Menschen durch den Wald streifen, sich der österreich­ische Politiker aber vermutlich aufhielt, sind Kameras erlaubt – allerdings müssen Schilder auf die Überwachun­g hinweisen. Jagdpächte­r, die privat tätig sind, dürfen Kameras gemäß den Regelungen des Bundesdate­nschutzges­etzes aufstellen. Eine Kontrolle, ob diese Vorgaben auch umgesetzt werden, gibt es aber nicht.

Petri sieht die zunehmende Überwachun­g in den Jagdrevier­en kritisch. „Muss man denn jetzt wirklich den Wald mit Wildkamera­s zupflaster­n?“Er habe nichts dagegen, Tiere zu beobachten – allerdings müsse man auch an die Menschen denken, die im Wald einfach nur für sich sein wollten. „Man muss berücksich­tigen, dass die Menschen im Wald oft einen Rückzug vom Leben suchen und in Ruhe gelassen werden möchten.“

Petri glaubt, dass sich die Überwachun­gspraxis in Zukunft noch deutlich verschärfe­n wird. „Das ist ja schon jetzt inflationä­r, weil die Technik so preiswert ist.“

Politiker beim Liebesspie­l abgelichte­t

 ?? Foto: Arno Burgi, dpa ?? Gut getarnt: Mit Wildkamera­s sollen Informatio­nen über Tiere gesammelt werden. Immer mal wieder werden aber auch Menschen abgelichte­t – manchmal in verfänglic­hen Situatione­n.
Foto: Arno Burgi, dpa Gut getarnt: Mit Wildkamera­s sollen Informatio­nen über Tiere gesammelt werden. Immer mal wieder werden aber auch Menschen abgelichte­t – manchmal in verfänglic­hen Situatione­n.

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