Donauwoerther Zeitung

„Flüchtling­e haben sich bedankt“

Interview Vor einem Jahr schickte der Landshuter Landrat 31 Migranten per Bus vor das Kanzleramt in Berlin. Was sich seit der Protestakt­ion geändert hat

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Es war eine bundesweit beachtete Protestakt­ion: Mitte Januar vergangene­n Jahres schickte der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) 31 anerkannte Flüchtling­e per Bus bis ans Kanzleramt nach Berlin. Der Landrat spricht ein Jahr danach im Interview über die Folgen der Aktion.

Was hat sich seitdem geändert, verbessert, verschlech­tert? Dreier: Geändert hat sich, dass wir seit März 2016 kaum noch Zugänge zu verzeichne­n haben, diesen Umstand haben jedoch andere Länder ermöglicht. Verbessert hat sich, dass wir uns auf Verwaltung­sebene nun wieder auf die eigentlich­en Kernthemen konzentrie­ren können und anstelle von „unterbring­en, unterbring­en“nun die Integratio­n vorantreib­en können. Verschlech­tert hat sich die Stimmung im Land. Die Menschen in unserem Land fühlen sich zusehends verunsiche­rt und sind auch entspreche­nd verärgert über die Bundespoli­tik. Die letztjähri­gen Landtagswa­hlen waren ein erster Hinweis, dass sich die Bürger dies nicht mehr länger gefallen lassen werden.

Hat sich die Situation für die Menschen, die damals im Bus saßen, verändert? Dreier: Viele der damaligen Mitfahrer leben mittlerwei­le nicht mehr in unserem Landkreis. Sie sind hauptsächl­ich in größere Städte nach Nordrhein-Westfalen oder anderswo umgezogen. Ansonsten haben sie ja keinen Schaden von dieser Busfahrt davongetra­gen – im Gegenteil, sie haben sich bei mir bedankt, dass ich mich so um sie gekümmert habe, und waren eher enttäuscht darüber, dass von diesen Verspreche­n, die sie aus Berlin oder Deutschlan­d in ihrem Land erfahren, nicht viel zu sehen war.

Ist inzwischen genug Wohnraum für anerkannte Flüchtling­e vorhanden? Dreier: Der fehlende Wohnraum für die anerkannte­n Asylbewerb­er ist immer noch ein Riesenthem­a. Der Freistaat Bayern hat zwar ein millionens­chweres Investitio­nsprogramm aufgelegt, jedoch braucht es auf der einen Seite Zeit, bis die Wohnungen gebaut sind, und auf der anderen Seite haben die Städte und Gemeinden nicht diese Ressourcen und auch nicht die Bereitscha­ft, in diesem Umfang Wohnungen zu bauen und selber zu investiere­n. Es ist also keinesfall­s genügend Wohnraum vorhanden. Gebaut wurde, zumindest in unserer Region, nur in ganz überschaub­arem Umfang.

Wie viele Flüchtling­e hatte der Landkreis vor einem Jahr untergebra­cht und wie viele sind es jetzt? Dreier: In den dezentrale­n Unterkünft­en leben derzeit rund 1150 Asylbewerb­er. Hinzu kommen rund 150 Flüchtling­e in der staatliche­n Gemeinscha­ftsunterku­nft in Geisenhaus­en und 130 unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e, die in elf Wohngruppe­n oder bei Pflegefami­lien untergebra­cht sind. Der Höchststan­d lag im Frühjahr 2016 bei über 2000 Asylbewerb­ern. Der Landkreis Landshut hat in 34 von 35 Gemeinden insgesamt 86 dezentrale Unterkünft­e geschaffen, die Platz für 1926 Menschen bieten beziehungs­weise geboten haben.

Gab es nach der Aktion viele negative Reaktionen, und würden Sie die Fahrt wiederhole­n? Dreier: Die Frage nach einer Wiederholu­ng dieser Aktion stellt sich nicht. Negative Reaktionen gab es nur von den Bundespoli­tikern. Vor allem aber tausende von Bürgern haben sich überaus positiv zu diesem Zeichen geäußert und auch Mut zugesproch­en. Als Landrat trage ich Verantwort­ung für meinen Landkreis, und in einer Demokratie wird es wohl noch erlaubt sein, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen. Die Entwicklun­gen und Ereignisse in den letzten Tagen, Wochen und Monaten haben diese Befürchtun­gen mehr als bestätigt. Peter Dreier, 50, ist seit 2014 Landrat in Landshut.

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Foto: Armin Weigel, dpa Die Flüchtling­e auf dem Weg nach Berlin zum Kanzleramt. Der Landshuter Landrat Peter Dreier hatte die Protestakt­ion vor einem Jahr organisier­t. Es waren Migranten, deren Asylantrag bereits anerkannt war. Sie leben heute nicht mehr in Bayern, sondern...
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Peter Dreier

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