Donauwoerther Zeitung

Im Schlafzimm­er der Päpste

Besuch In Castel Gandolfo verbrachte­n Kirchenobe­rhäupter einige Sommer. Franziskus kann mit der Residenz nichts anfangen und öffnete sie für die Öffentlich­keit. Was es dort zu sehen gibt

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom/Castel Gandolfo Papst Franziskus mag es lieber einfach. Seine Sommerresi­denz in Castel Gandolfo ist deshalb als Museum zu besichtige­n. Was man dort sieht? Das Arbeitszim­mer zum Beispiel. Es wirkt so, als habe es der Papst gerade erst verlassen. Das „Lexikon für Theologie und Kirche“steht noch parat.

Im Zimmer des Privatsekr­etärs hält ein bayerische­s Fähnchen die Stellung. Das Konterfei Benedikt XVI., Franziskus’ Vorgänger aus Marktl am Inn, das hier noch bis vor ein paar Wochen an der Wand prangte, wurde inzwischen jedoch abgenommen. Um Missverstä­ndnisse zu vermeiden.

Kaum ein Papst fühlte sich in der Residenz so wohl wie der im Februar 2013 zurückgetr­etene Benedikt XVI., der auch die zwei Monate nach seinem Rücktritt hier zubrachte. Seit bald vier Jahren amtiert nun aber Franziskus, der mit vielen Traditione­n gebrochen hat. Eine davon dass er vom Päpstliche­n Palazzo in Castel Gandolfo ebenso wenig hält wie vom Apostolisc­hen Palast in Rom. Franziskus wohnt im vatikanisc­hen Gästehaus Santa Marta, in die 20 Kilometer von Rom entfernte Sommerfris­che kommt er nicht mehr. Dieser Papst hat nach eigenem Bekunden kein Bedürfnis nach Erholung oder Tapetenwec­hsel.

Seit zwei Monaten also ist der Papst-Sitz öffentlich zugänglich. Die Geste scheint Franziskus’ fast schon sprichwört­licher Volksnähe geschuldet. Eine nachhaltig­e Allergie gegen alles Höfische dürfte der tatsächlic­he Auslöser für die Öffnung gewesen sein.

Der Palast von Castel Gandolfo ist ein Hof im Kleinforma­t. Im Inneren bekommen Besucher die ausrangier­ten päpstliche­n Luxuskaros­sen deutschen Fabrikats zu sehen. Franziskus lässt sich bekanntlic­h im Kleinwagen chauffiere­n. Die Ausstellun­g im Erdgeschos­s ist eine Reminiszen­z an Zeiten, denen nicht wenige Geistliche im Vatikan im Moment hinterhert­rauern. Traditiona­listen dürfte angesichts der goldbestic­kten Pantoffeln früherer Päpste, der Uniformen des päpstliche­n Hofstaates, tragbarer Throne und befederter Fächer warm ums Herz werden. Derzeit haben sie es mit einem Pontifex in klobigen Orthopädie-Stiefeln zu tun.

Die Residenz entspricht derselben Logik des von Franziskus gescheuten Papst-Palastes im Vatikan. Besucher mussten Säle und Vorzimmer durchschre­iten, bevor sie den Papst erspähen durften. Unnahbarke­it und Größe des Nachfolger­s Petri sollen architekto­nisch spürbar werden. Sogar Steckdosen werden von goldfarben­em Plastik umfasst und tragen das päpstliche Wappen.

Hier, in prächtiger Umgebung, hat sich jüngst Kirchenges­chichte ereignet. Nur Tage nach seiner Wahl im März 2013 besuchte Franziskus seinen Vorgänger. Im Obergescho­ss ist die Privat-Kapelle zu besichtige­n, in der die beiden Päpste beteten. Im Eckzimmer, einer Biist, bliothek mit Blick auf Rom und das Meer, übergab Benedikt XVI. seinem Nachfolger brisante Akten aus seiner Amtszeit. Castel Gandolfo ist der Ort, an dem erstmals in der Neuzeit zwei Päpste aufeinande­rtrafen. Und Päpste starben: Pius XII. 1958 und 1978 auch Paul VI.

Auch das päpstliche Bett ist zu sehen. Es wirkt mit seinem vergoldete­n Messingges­tänge wie ein besseres Hotelbett. Eine beige Steppdecke ist über die Matratze geworfen. Mithilfe eines zierlichen Weihwasser­beckens an der Wand konnte sich der Pontifex zu jeder Tages- und Nachtzeit bekreuzige­n. Das päpstliche Schlafzimm­er übrigens diente einst kurzzeitig als Kreißsaal. Etwa 40 Kinder kamen in ihm zur Welt, von denen einige auf den Vornamen „Eugenio“getauft wurden – nach dem bürgerlich­en Namen des damaligen Papstes Pius XII., Eugenio Pacelli. Zu der Zeit suchten in der Residenz hunderte Menschen nach der Landung der Alliierten im Januar 1944 bei Anzio Schutz.

 ??  ?? Das päpstliche Bett, in dem zuletzt Benedikt XVI. lag, wirkt mit seinem vergoldete­n Messingges­tänge wie ein besseres Hotelbett.
Das päpstliche Bett, in dem zuletzt Benedikt XVI. lag, wirkt mit seinem vergoldete­n Messingges­tänge wie ein besseres Hotelbett.
 ??  ?? Papst Johannes Paul II. erholte sich in der Sommerresi­denz 1981 vom Attentat durch Mehmet Ali Agca. Er nutzte die 55 Hektar große Parkanlage auch zum Sport.
Papst Johannes Paul II. erholte sich in der Sommerresi­denz 1981 vom Attentat durch Mehmet Ali Agca. Er nutzte die 55 Hektar große Parkanlage auch zum Sport.
 ?? Fotos: Osservator­e Romano, dpa/dpa (3) ?? In Castel Gandolfo, in prächtiger Umgebung über dem Albaner See, hat sich Kirchen geschichte ereignet.
Fotos: Osservator­e Romano, dpa/dpa (3) In Castel Gandolfo, in prächtiger Umgebung über dem Albaner See, hat sich Kirchen geschichte ereignet.
 ??  ?? Historisch­es Treffen: Im Eckzimmer, einer Bibliothek mit Blick auf Rom und das Meer, übergab Benedikt XVI. (links) seinem Nachfolger Franziskus brisante Akten.
Historisch­es Treffen: Im Eckzimmer, einer Bibliothek mit Blick auf Rom und das Meer, übergab Benedikt XVI. (links) seinem Nachfolger Franziskus brisante Akten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany